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Gummibärchendiät

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Nicht, daß ich es nicht nötig hätte, mindestens zwei Kilochen zuviel trennen mich noch von der Bikinisaison. Nicht, daß ich etwa naserümpfend den Diäten gegenüberstehe - nein, ich habe für Diät einfach keine Begabung.

Eine der schlimmsten Diäterfahrungen verdanke ich meiner Mutter: Bei ihr gibt es nur hand-

gemahlenes Korn, die Fenster verdunkeln selbstgezogene Sojasprossen, und eine halbe Stunde Yoga ist täglich fix eingeplant.

Dennoch hat sie alle vier Wochen einen Schnupfen. Und das hätte mir Warnung genug sein sollen, als sie mir das „Heilfasten“ anpries. Selbiges würde aus mir einen ganz anderen Menschen machen, mich nicht nur körperlich, sondern auch geistig entschlacken oder so ähnlich.

Besonders dieses geistige Fasten oder so ähnlich imponierte mir, und ich nahm ihre schriftlichen Anweisungen mit.

Erst einmal hieß es da, man solle nichts „Verführerisches“ im Haus haben. Folge: Um wirkungsvoll mit dem Fasten beginnen zu können, mußte ich mich zwei Tage lang „opfern“ und die Reste von Marzipan, Schokolade, Gummibärchen und dergleichen vertilgen.

Am nächsten Tag, dem ersten Vorfastentag, war Obsttag angesagt. Ganze sechs Äpfelchen lagen als Tagesration vor mir! Ich habe noch nie soviel in meinem Leben ans Essen und an verlockende Speisefolgen gedacht wie an diesem Tag! Als ich bei Apfe} Nummer 4 angekommen war, hatte ich gemeine Kopfschmerzen (wegen Kalorienentzugs, wie ich glaube) und einen beängstigenden tjeiß- Hunger.

Ich beschloß um meiner Gesundheit willen, vom Obsttag weg die eigentlichen fünf Fastentage (die nur aus Getränken bestanden hätten!) zu überspringen und gleich am Nachmittag mit dem ersten .Aufbautag“ weiterzumachen, der auch mit einem Apfel begann, aber dann Müsli und Suppe erlaubte. Auch so fand ich mich am Abend sehr heroisch, beschloß aber, daß Heilfasten nur etwas für so richtig Dicke mit genügend Reserven ist.

Meine nächsten Diäterfahrungen waren, na ja, etwas ambivalent. Wieder sollten in einem Selbstkasteiungsanfall die zwei Kilochen weg; ich las damals gerade in jeder Frauenzeitschrift, die ich auch aufschlug, von irgendeiner geballten Diät, sei es sechs Tage lang mit Kartoffeln, vier Tage nur mit Eiern oder dergleichen.

Kreativ und selbständig denkend wie ich nun einmal bin, wandelte ich diese Einstoff-Diäten et was ab: Wenn schon einseitig, so dachte ich, dann doch gleich mit meinem erklärten Lieblingsnahrungsmittel — ohne Fett, kaum Kohlehydrate —, nämlich mit Gummibärchen.

Diese Diät war außerordentlich wirkungsvoll: Es gab am ersten Tag etwa dreiviertel Kilogramm Gummibärchen verschiedenster Farben — einen zweiten oder gar dritten Tag gab es dann nicht mehr, da mir speiübel war und ich notgedrungen die zwei Kilo im Schnellverfahren abnahm. Die Diät hatte nur einen Nachteil: Ich kann sie nie mehr durchführen, denn nun wird mir schon beim Gedanken an Gummibärchen schlecht.

Und so kommt es, daß ich von Gedanken an disziplinierte Diäten Abstand genommen habe und es lieber mit der sogenannten unfreiwilligen Diät halte. Und die geht so: Freitag abend kommen sowohl mein Partner als auch ich spät nach Hause — niemand von uns beiden hatte wieder einmal Zeit für einen Einkauf, geschweige denn, um auf der Bank Geld abzuheben. Aus dem Kühlschrank gähnt uns nur eine vertrocknete Kiwi entgegen und aus der Tiefkühltruhe der letzte Vor-Tscher- nobyl-Spinat, der aber für viel krassere Notfälle bewahrt wird — und die Pizzeria gegenüber nimmt unsere Kreditkarten nicht!

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