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In der Heimat des Phantastischen

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Der Streit um Pablo Picasso Meisterwerk „Guernica“, das von Madrid, zurückverlangt, von den Amerikanern aber noch immer in den USA zurückgehalten wird, ist zwar hoch nicht beigelegt.' Aber Spanien hat sich mit seinen großen Malern, den Weltstärs moderner Malerei, längst ausgesöhnt. Zumindest indirekt“ Für den verstorbenen Pablo Picasso, also für die Vaterfigur der spanischen Moderne, hat man in Barcelona längst ein großes Staatsrnuseurn eröffnet: einen gotischen Palastbau in der Calle Moncada...

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Der Streit um Pablo Picasso Meisterwerk „Guernica“, das von Madrid, zurückverlangt, von den Amerikanern aber noch immer in den USA zurückgehalten wird, ist zwar hoch nicht beigelegt.' Aber Spanien hat sich mit seinen großen Malern, den Weltstärs moderner Malerei, längst ausgesöhnt. Zumindest indirekt“ Für den verstorbenen Pablo Picasso, also für die Vaterfigur der spanischen Moderne, hat man in Barcelona längst ein großes Staatsrnuseurn eröffnet: einen gotischen Palastbau in der Calle Moncada...

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Auch Salvador Dali, der sich auf dem Umweg über den Pariser Surrealismus-Kreis die Papstwürde der Phantasten eroberte, dem Enfant terrjble, hat die Stadt Figueras ein monumentales Theatermuseum geschenkt, in dem sich der geniale Maler Dali ebenso wie der hemmungslose. Showartist, der Architekt wie der Plastiker, der Regisseur 1 und Ausstatter grotesken Theaters wie der Inszenator seiner selbst für ewige Zeiten als das „Wunder von Figueras“ präsentieren kann. Und auf Barcelonas schönstem Berg, dem Montjuich, wurde heuer für den dritten weltberühmten Katalanen in der Malerei, Joan Miro, ein Museumsbau, richtiger: ein architektonisches Kunstwerk, eröffnet, wie es bisher in Europa nur für sehr wenige Künstler errichtet wurde.

Ein Blick genügt: Phantastik überall ... Ein Uberquellen romanisch-mediterraner Phantasie, eine Szenerie, in der Kunst und Architektur, Bankonzeption und Landschaft ein großes Ganzes ergeben.

Das Spektakulärste ist dabei natürlich Dalis Theatermuseüm: Ein klassizistischer Theaterbau, der im Bürgerkrieg in Brand gesteckt worden war, wurde zum Dali-Gesamt-kunstwerk zurechtkompomert Zentral ein Kuppelsaal mit künstlichem Himmelsgewölbe, einem Barockdom gleich, die Wände behängt mit riesigen Dali-Werken, auf denen sich immer wieder das Motiv der Laden findet, die aus einem Körper herausgezogen werden, rundum die Logengänge zu Galerien umgestaltet, daneben Räume, in denen etwa Dalis berühmtestes Bühnenbild aufgestellt wurde: das Porträt des Sexstars Mae West, das aus Requisiten komponiert ist... Der Mund ein Diwan, die Nase ein Kamin, die leuchtendblonde Perücke ein Vorhang... Alle Ideen des Surrealismus, von Traumgespinsten bis zu den tiefenpsychologischen Aspekten, vom ritualhaft-grotesken Symbolismus bis zu wiederaufgenommenen Formen aus dem italienischen und spanischen Manierismus des 17. Jahrhunderts, wirken hier zu einer absurden Inszene zusammen, die durch Dalis burgartige Villa über dem winzigen Hafen des Malerdörfchens Port Lligat im Konzept noch gleichsam ergänzt wird. Dalis offizielle und private Inszenierung seiner selbst... Der Künstler und sein Leben als Gesamtkunstwerk. Nicht von ungefähr prunkt mitten im Garten der weißen Villa eine Bühne und vom weißen Festungswall blicken zwei monumentale, silbern leuchtende Riesenköpfe hinunter auf die Szenerie, lächeln verklärt

Nicht minder vertritt auch der Erbauer des Mirö-Museums in Barcelona die Idee eines Gesämtkunst-werks: Was wäre für den weltoffenen Malerplastiker Miro sinnvoller als diese eigenwillige Architektur Josep-Lluis Serts, der heute zu den bedeutendsten modernen Architekten zählt. Ein Bau von offener Struktur, beispielhaft in die Landschaft eingepaßt, so daß Meerblick, Bergpanorama des Tibidabo, die monumentale Kulisse Barcelonas, das Grün des Montjuich-Bergs und der graue Bau in perfektem Gleich gewicht zu sein scheinen.

Vor allem hat Sert einen Bau geschaffen, der einen ungewöhn-Kontrapurikt zu den Werken Miros bildet Das Licht kommt übrigens durch Glasbeton-Ober-lichten, gewölbte Flachen reflektieren es so, daß für die Kunstwerke optimale Lichtverhältnisse ohne Spiegelungen entstehen und der Besucher hie geblendet wird. Und perfekt ist die Symbiose uralter katalanischer Bauformen, die hier, den Gesetzen eines zeitgemäßen Funktionalismus entsprechend, eingesetzt wurden: In der Planung von Terrassen für gesellschaftliche Kommunikation, in auch den Sommer über kühlen Aufenthaltsräumen, Durchblicken durch Höfe auf die Eergkulissen, einem achteckigen Turm, der Zugänge zu Hörsälen, Archiv, Bibliothek usw. vereinigt. Und einer der bedeutendsten Miro-Sammler, Joan Prats, hat seine Miro-Sammlung im Wert von vielen Millionen Schilling als Grundstock dem Museum überlassen. Ein Rahmen, in dem das Werk Miros, dieses kühnen Phantasiekünstlers, den richtigen Platz gefunden hat, um seine Wirkung zu entfalten. „Wenn Sie Mir6s Kunst verstehen wollen, müssen Sie ins Marinemuseum von Barcelona gehen“, sagte mir einmal in Barcelona ein junger Maler. Wie richtig. Denn erst dort sieht man die amphibische Natur der Katalanen, ihr Verwurzeltsein mit dem Boden und ihre Seefahrerleidenschaft. Dort ist auch alles beisammen, was das Genie Miros ausmacht: die Passion für das Exakt-Vollkommene, der Hang zum Phantastischen in dem Vermögen, auch den simpelsten Gegenstand mit Schönheit und Zauberkraft zu begaben. Und wer durch Barcelona mit offenen Augen geht, wird feststellen, daß ein Dali oder Miro eigentlich keine Sonderfälle, keine Fremdkörper sind, sondern daß geistige Anlagen zu ihrer Kunst hier immer schon vorhanden waren. Etwa in den bizarren Bauten eines Antonio Gaudi.... K.H.R.

Die Kunst, zu verblüffen — ein Charakteristikum der großen katalanischen Künstler: Salvador Dali baute sieb in Port Lligat seine Villa, die wie das Bühnenbild einer Operninszenierung wirkt (Photos Pierre: oben links); vor seinem eigenen Theatermuseum des Surrealismus errichtet Dali das Denkmal für den Philosophen Pujol (oben rechts); abstruse Wesen, phantastische Amphibien und Groteskfiguren prägen das Werk des zweiten großen Katalanen Joan Miro (Mitte), der nicht nur zu den bedeutendsten Malern des 20. Jahrhunderts zählt, sondern auch einer der originellsten Plastiker ist (Photo ganz unten: „Krugfrau“).

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