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Kein Festival der schönen Worte

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Die katholische „Einheit in der Vielfalt“ will der 41. Eucha-ristische Weltkongreß, der vom nächsten Samstag an in Philadelphia über die Bühne gehen wird, der amerikanischen Öffentlichkeit augenfällig demonstrieren. Bei der Gestaltung des Kongresses, der sozusagen das Geburtstagsgeschenk der Kirche zum 200-Jahr-Jubiläum der USA ist, spielen das indianische Erbe, der Beitrag der schwarzen und der spanisch sprechenden US-Amerikaner, aber auch die sogenannten „Ethnics“ (die „Volksgruppen“, in denen sich heute mit wachsendem Selbstbewußtsein die Nachfahren der europäischen und asiatischen Einwanderer sammeln) eine entscheidende Rolle. Die ökumenische Note dieses Eucharistischen Kongresses wird stark unterstrichen — auch in einem konfessionell so gemischten Land wie den USA angesichts der entscheidenden Glaubensunterschiede im Verständnis der Eucharistie mehr als eine protokollarische Geste.

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Die katholische „Einheit in der Vielfalt“ will der 41. Eucha-ristische Weltkongreß, der vom nächsten Samstag an in Philadelphia über die Bühne gehen wird, der amerikanischen Öffentlichkeit augenfällig demonstrieren. Bei der Gestaltung des Kongresses, der sozusagen das Geburtstagsgeschenk der Kirche zum 200-Jahr-Jubiläum der USA ist, spielen das indianische Erbe, der Beitrag der schwarzen und der spanisch sprechenden US-Amerikaner, aber auch die sogenannten „Ethnics“ (die „Volksgruppen“, in denen sich heute mit wachsendem Selbstbewußtsein die Nachfahren der europäischen und asiatischen Einwanderer sammeln) eine entscheidende Rolle. Die ökumenische Note dieses Eucharistischen Kongresses wird stark unterstrichen — auch in einem konfessionell so gemischten Land wie den USA angesichts der entscheidenden Glaubensunterschiede im Verständnis der Eucharistie mehr als eine protokollarische Geste.

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Der Weltkongreß in Philadelphia möchte sichtlich viele „Grenzen der Hartherzigkeit“ — kontinentale, nationale, soziale, auch konfessionelle Grenzen — überwinden und die Eucharistie als Zeichen der Einheit ernst nehmen. Nicht umsonst ist der Hunger der Menschheit in allen seinen Aspekten — der Hunger nach Brot ebenso wie der Hunger nach Freiheit und Gerechtigkeit, der Hunger nach Wahrheit ebenso wie der Hunger nach Gott — zentrales Thema des Kongresses. In Philadelphia soll auch eine Antwort gegeben wenden: Dieser Hunger nämlich ist

zu stillen, wenn Wort und Beispiel Christi ernstgenommen und befolgt wenden.

Das Engagement für 'die Probleme der Welt von heute von der Eucharistie her soll jeder Tag des Kongresses auf andere Weise symbolisieren. So ist der 7. August dem Hunger nach Frieden gewidmet. Kardinal König wind an diesem Tag ein großes Gnundsatzreferat halten; in verschiedenen Kirchen und Stadien der Stadt wenden 29 vensohigJene Volksgruppen — darunter Iren, Polen, Litauer, Portugiesen, Deutschsprachige, Italiener, Filipinos, Kroaten und Chinesen — mit „Ethnic Festivals“, die jeweils in einer Meßfeier gipfeln, die religiöse Tradition ihrer Herkunftsländer dokumentieren. Die zentrale Meßfeier des 7. August im Vetenans Stadium ist den unierten Ostkirchen vorbehalten. Unter dem Vonsitz des melkiti-schen Patriarchen Maximos V. Hakim wenden Bischöfe und Priester der arabischen, rumänischen, ukrainlsch-ruthenischen und weißrussischen Volksgruppe in den USA kcmrzelehrieren.

Die „Ethic Festivals“, aber auch

die große Parade der Nationen am 8. August zur feierlichen Abschlußmesse (die der päpstliche Legat, Kardinal Knox, mit 500 Bischöfen und Priestern konizelebrieren wind), die besonderen Euehariistiefeiem für die spanischsprechenden und die schwarzen Amerikaner, aber auch für die 200 indianischen Volkssplitter, die Tatsache, daß Kardinal Cooke von New York auf englisch und spanisch predigen wind, signalisieren auch im kirchlichen Bereich den Abschied von der Ideologie des „Schimelztieigels Amerika“.

Heiße Eisen sollen in Philadelphia nicht ausgeklammert wenden. Zum Beispiel wind am 2. August, wenn es um die Familie geht (bei diesem Symposium werden auch Fürst Rai-nier von Monaco und seine aus Philadelphia stammende Frau Grace sprechen), das Problem der geschiedenen und wiederverheirateten Ka-

tholiken offen diskutiert wenden. Am selben Tag soll ein anderes Symposium den Zusammenhang zwisclren dem Brotbrechen für die 500 Millionen unterernährter Menschen in der Welt und dem Brotbrechen in der Euchristie herausarbeiten. Symbolisch wind im Rahmen des Hunger-Symposiums zweimal Brot „mit einem Fremden gebrochen“: zu Mittag, wenn Gebete aus verschiedenen religiösen Traditionen den Segen Gottes auf nach Rezepten aus allen fünf Kontinenten gebackene Brote herabiuifen, und am Abend, bei einer feierlichen Messe, die Kardinal Condeiro, Erzbischof der pakistanischen Hafenstadt Karachi, zelebrieren wird. Jesuitenpater Edward Brady, einer der beiden Vizevorsitzenden des Hunger-Symposiums, interpretiert: „In der Emmaus-Er-fahrung erkannten die niedergeschlagenen Jünger die Gegenwart Christi, als sie das Brot mit einem Fremden brachen; durch das Brotbrechen soll. auch in Philadelphia die Betroffenheit der übernationalen christlichen Gemeinschaft angesichts der Gegenwart Christi, der mitten unter uns in den Hungernden leidet, zum Ausdinuck kamen.“

Tags darauf geht es um Freiheit und Gerechtigkeit. Dom Helder Cämara, Mutter Teresa, der „Engel der Sterbenden von Kalkutta“, Erzbischof Benelli, Substitut im päpstlichen Staatssekretariat, wenden diskutieren. Die Rolle der Strukturen, das Problem der unterprivilegierten Klassen und Völker, der Minderheiten und der zunehmenden internationalen Verflechtung sollen analysiert wenden. Die Meßfeder am Abend wird von Vertretern der „Ethnics“ gestaltet, sie soll einerseits den Dank für die religiöse Freiheit

in den USA, anderseits die Bitte für jene Länder zum Ausdinuck bringen, in „denen die religiöse Freiheit verweigert wind'“.

Kandinjal Wojtyla wind nicht der einzige prominente Bischof aus Osteuropa sein, der in Philadelphia anwesend ist. Auch der Primas von Ungarn, Kardinal Lekai, wird mit einer vielköpfigen Delegation in die USA reisen und sich dort mehrere Wochen lang aufhalten, um nach dem Kongreß die ungarischen Katholiken Nordamerikas zu besuchen. Beobachter werten diese erste große Auslandsreise des neuen ungarischen Primas als Geste, mit der sowohl die Budapester Regierung als auch die kirchliche Hierarchie des Landes die „Normalisierung“ dn den Beziehungen zwischen Staat und Kirche signalisieren wollen.

Signalwirkunig erhoffen sich zumindest die Organisatoren des Weltkongresses auch von dem zweitägigen ökumenischen Symposium über die Eucharistie, an dem 300 Theologen aus 25 verschiedenen Konfessionen teilnehmen wenden.

Auf keinen Fall soll es in Philadelphia bei einem „Festival der schönen Worte“ bleiben. Ein Jahr lang ist in allen Diözesen der Vereinigten Staaten ein Programm der spirituellen Erneuerung durchgeführt worden. Eigentlich wurde ein ganzes Bündel von Programmen gestartet, um die US-Katholiken zu stärkerem Engagement sowohl im spirituellen Bereich als auch bei konkreten Taten der Nächstenliebe anzureizen.

Im Rahmen der „Operation Faith Sharing“ gehen zum Beispiel seit der Fastenzeit Katholiken jeweils zu zweit auf Hausbesuche zu Konfessionslosen (80 Millionen Amerikaner, mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung, bekennen sich zu keiner Kirche oder Sekte), um sie ganz unverbindlich zu Pfarrfesten einzuladen. Eine andere Aktion „Service in God's Name“ dient einer Aktivierung der Jugend. 100 Millionen freiwillig geleisteter Arbeitsstunden im Bereich der sozialen Hilfe bis zum 1. August sind das Ziel dieser Aktion.

Insgesamt präsentiert sich der Eucharistische Weltkongreß zum 200-Jahr-Jubiläum der USA als gnoße Selbstbesinnung der amerikanischen Katholiken, aber auch als Versuch, Impulse für eine Gesellschaft zu geben, in der — wie es Paul VI. in seinem Grußwort zum Kongreß formuliert hat — „das Brot für die Bedürftigen vermehrt werden kann; wo das Leben respektiert wind; wo Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit die Oberhand gewinnen; und wo der Friede herrscht — der Friede Christi, des wahren -Brotes des Lehens“.

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