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Mit Deutsch auf Westkurs
Ungarn rückt dem Westen wieder ein Stückchen näher: Künftighin werden die ungarischen Schüler nicht mehr verpflichtet sein, Russisch als erste Fremdsprache zu erlernen.
Ungarn rückt dem Westen wieder ein Stückchen näher: Künftighin werden die ungarischen Schüler nicht mehr verpflichtet sein, Russisch als erste Fremdsprache zu erlernen.
Noch bis zum Sommer war Russisch in Ungarn, wie bis heute übrigens noch in sämtlichen anderen Ostblockstaaten, Pflichtsprache -für den Staat Ausdruck lebendiger Bündnistreue, für viele Schüler aber aufoktroyiertes Fach, für das sie meist aus Protest nur das Allernot-wendigste lernen.
In Ungarn aber weiß man schon längst, daß die nach internationalen Decken strebende Wirtschaft weni-gerStaatsbürgermitRussischkennt-nissen benötigt als vielmehr die Verbreitung westlicher Sprachen.
Nach der Abschaffung des Pflicht-Russischunterrichts wird Englisch - wie praktisch überall in der Welt -Spitzenreiter sein; aber-und das ist das Erfreuliche für Österreich -Deutsch wird die zweite Fremdsprache, Ungarn benötigt nun in erster Linie Lehrer.
Der ungarische Kulturminister Ferenc Glatz hat sich darum in den letzten Wochen an die Bundesrepublik und an Österreich gewandt Aller Voraussicht nach kann der DAAD, die bundesdeutsche Vermittlungszentrale für Akademikeraustausch, mit 45 jungen und jüngeren Hochschulabsolventen aufwarten - größtenteils Germanisten, die lieber Auslandserfahrung sammeln als im eigenen Land arbeitslos zuaekt
Österreichern sind derzeit 40 Stellen an ungarischen Hochschulen garantiert. Gesucht werden graduierte Akademiker der Fächer Germanistik oder Sprachwissenschaft und Absolventen der Dolmetschinstitute, die für ein bis drei Jahre als Universitätslektoren das Deutsch ungarischer Studenten auf Vordermann bringen sollen und so nebenbei auch Einblicke in die österreichische Literatur und Kultur vermitteln können.
Die Ungarn konzentrieren sich ganz auf die Lehrerbildung, und so sind als Einsatzorte dieser Lektoren Universitäten, vor allem aber Lehrerbildungsanstalten, in ganz Ungarn vorgesehen. Daneben läuft aber auch ein Programm für Lehrer an ungarischen Schulen.
Vier staatliche Schulen gibt es, in denen Deutsch Unterrichtssprache ist, und hier sollen nun auch verstärkt westliche Lehrer zum Einsatz kommen. Gesucht sind also auch österreichische Lehrer (verschiedener Fächer), die für einige Zeit nach Ungarn wollen.
Bisher läßt das Interesse bei den in Frage kommenden Österreichern freilich noch zu wünschen übrig. Wissenschaftsminister Erhard Bu-sek, der sich persönlich bei seinem ungarischen Amtskollegen für die Aufnahme der österreichischen Gastlehrkräfte eingesetzt hat, wünscht sich, daß sich bald die erforderlichen österreichischen Kandidaten finden. Offizieller Dienstantritt ist nämlich der 1. September, auch wenn mit der tatsächlichen Arbeit voraussichtlich erst im Oktober begonnen werden kann.
„Es wäre schade, wenn das Bild, das der österreichische Nachbar Ungarn von den deutschsprachigen Staaten erhält, ausschließlich von der Bundesrepublik geprägt wäre“, meint der Minister zur FURCHE und betont, daß Kulturkontakte zu den Nachbarstaaten Österreichs immer wichtig sind, aber im Fall Ungarns durch die geplante gemeinsame Weltausstellung zusätzliches Gewicht erhalten.
Der österreichische Staat läßt sich die Bereitschaft junger Österreicher, ins Ausland zu gehen, auch etwas kosten: Zusätzlich zum ungarischen Gehalt von 10.000 Forint pro Monat und einer kostenlosen Wohnung erhält beispielsweise jeder Lektor noch monatlich 7.000 Schilling und die Kosten der Prämie für Kranken-und Unfallversicherung und gegebenenfalls einer österreichischen freiwilligen Weiterversicherung.
Durch diesen Zuschuß ist gewährleistet, daß das Ungarnzuckerl garantiert kein saures Drops wird: Österreich bringt es eine Stärkung des internationalen Ansehens und weitere wichtige Kontakte mit seinem östlichen Nachbarn, und junge Österreicher profitieren von der Möglichkeit, Berufs- und Auslandserfahrung zugleich zu sammeln und von der Notwendigkeit einer stärkeren österreichischen Präsenz im Ausland einmal nicht bloß zu reden... Wer darüber die heimischen Entwicklungen nicht verpassen will, dem bleibt die Alpenrepublik auch in Ungarn nahe genug.
Interessenten für das Lektorenprogramm melden sich bei Amtsdirektor Temmel (TeL 53120-3186), nähere Auskünfte über das Lehrerprogramm erteilt Ministerialrat Mag. Koschath (TeL 53120-3270).
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