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Kennen Sie Herrn Toski?

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Denn jetzt waren sie nicht mehr arm, was man heute, in unsere Wohlstandgesellschaft, halt so arm nennt.

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Denn jetzt waren sie nicht mehr arm, was man heute, in unsere Wohlstandgesellschaft, halt so arm nennt.

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Kennen sie Herrn Toski? Sie kennen Herrn Toski nicht? Und seine Frau, die Frau Toski, sagt Ihnen auch nichts? Aber ja doch. Sie kennen sie, und vor allem ihn. Wir werden Ihnen Herrn Toski beschreiben, und Sie werden sehen, daß Sie ihn kennen.

Also: Herr Toski. Er hat vor Jahren einmal gerne Herrenpilze und Eierschwammerl gesucht. Und übrigens auch gefunden. Er hat sie dann zum Teil gleich gekocht und gebraten und gedünstet. Köstliches Schwammerlgulasch ist da entstanden und Schwammerlsuppen sind da daraus geworden und geröstete und panierte Pilze, und zum Teil hat er sie getrocknet, und später, im Winter, als es längst keine Schwammerl mehr zu suchen gab, hat er sie hervorgeholt und zu lukullischen Köstlichkeiten verarbeitet.

Damals war Herr Toski nicht reich. Er war im Grunde sogar eher arm. Was man halt heute, in unserer Wohlstandsgesellschaft halt so arm nennt. Er hatte ein wenig Arbeit, die ihn sogar freute, und so hatte er auch wenig Geld. Ein Halbtags] ob wirft nicht viel ab. Da er aber dadurch viel Zeit hatte, konnte er seiner Lieblingsbeschäftigung, dem

Schwammerlsuchen, oft nachgehen. Und seiner zweiten Lieblingsbeschäftigung auch, nämlich dem Kochen und Essen der Herrenpilze und Eierschwammerln, die er, oft schon im Mai und dann noch im späten Oktober, in den Wäldern gefunden hatte.

Nach und nach aber sah Herr Toski, und seine Frau zeigte es ihm, wo er es nicht sah oder nicht sehen wollte, daß die meisten rund um ihn viel mehr Arbeit hatten als er selbst. Wodurch sie natürlich auch viel mehr Geld hatten. Und auch ihre Frauen hatten mehr Geld. Also bemühte sich Herr Toski, ebenfalls ein wenig mehr Arbeit und ein wenig mehr Geld zu bekommen, und es gelang ihm. Und eh er sich's versah, hatte er viel Arbeit.

Und dadurch, natürlich, auch viel Geld. Auch Frau Toski hatte jetzt viel Geld. Und als Herr Toski, man arbeitet sich ein und man arbeitet sich hinauf, sehr viel Geld hatte, da freute er sich. Und Frau Toski freute sich mit ihm. Denn jetzt waren sie nicht mehr arm, was man heute, in unserer Wohlstandsgesellschaft, halt so arm nennt. Nein, sie waren jetzt reich. Und so konnte sich Herr Toski einiges leisten. Drum dachte Herr Toski nach, was er sich denn so leisten wolle. Was, so überlegte er, würde er denn wohl am liebsten haben und am liebsten tun? Und natürlich fiel es ihm bald ein. Das wußte er noch von früher. Von damals, als er arm gewesen war. Da war er doch so gerne in den Wald gegangen und hatte Schwammerl gesucht. Von Anfang Mai bis in den späten Oktober. Nun, das war jetzt nicht mehr möglich, denn Herr Toski hatte jetzt viel Arbeit. Und deshalb hatte er nicht viel Zeit, man könnte sogar sagen, Herr Toski hatte wenig Zeit, was man halt heute, in unserer Wohlstandsgesellschaft so Zeit nennt. Aber ein wenig Zeit, so stand fest, konnte sich Herr Toski mit seinem vielen Geld, das er nun hatte, schon leisten.

Und so fährt Herr Toski, jetzt jedes Jahr für drei Wochen in den Wald. Und sucht und findet Herren-

Silze und Eierschwammerl. Viel fin-et er natürlich in drei Wochen nicht, so viel wie früher, als er noch von Anfang Mai bis in den späten Oktober suchen konnte. Weil er damals wenig Arbeit hatte. Aber so viel Zeit...

Kennen Sie Herrn Toski? Er geht jetzt hie und da abends schnell mit seiner Frau in ein Dreihaubenlokal und kauft dort ein Schwammerlgulasch. Aus Schwammerln, die er nicht gefunden hat, sondern wer anderer. Er kann sich das jetzt leisten. Natürlich kennen Sie Herrn Toski.

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