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Überforderte „Versager"
Anfang der siebziger Jahre war bei jedem fünften Fünfzehn- bis Sechzehnjährigen nach der Pflichtschule Endstation: Bei 20,4 Prozent schloß keine weitere Schulausbildung an. Zu Beginn der neunziger Jahre sind es zwar nur mehr 1,8 Prozent - allerdings bricht jeder fünfte Jugendliche dann zwischen 18 und 19 die Ausbildung ab.
Anfang der siebziger Jahre war bei jedem fünften Fünfzehn- bis Sechzehnjährigen nach der Pflichtschule Endstation: Bei 20,4 Prozent schloß keine weitere Schulausbildung an. Zu Beginn der neunziger Jahre sind es zwar nur mehr 1,8 Prozent - allerdings bricht jeder fünfte Jugendliche dann zwischen 18 und 19 die Ausbildung ab.
Sechs von zehn berufstätigen Österreichern genügte vor zwei Jahrenzehn-ten ein Pflichtschulabschluß, nur jeder zehnte hatte eine höhere schulische Bildung. Heute treten 98 Prozent der Pflichtschulabgänger in eine weiterführende Schule oder in die Lehre über. Das ist die Bildungsexplosion.
Arthur Schneeberger vom Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft hat an ihrem Ruhm zu kratzen gewagt: mit einer Studie über Jugendliche im Bildungs- und Ausbildungssystem, die die Schul- und Lehrlingsstatistik sowie eigene Berechnungen in einer Zusammenschau auswertet und die im Sommer veröffentlicht werden wird.
Keine Frage: Bildung und Ausbildung haben einen höheren Stellenwert bekommen; im Denken der Eltern - „Unsere Kinder sollen es einmal besser haben" - ebenso wie im Bewußtsein der Jugendlichen. Erfolg und Mißerfolg, folgert Schneeberger, stehen mit Ansehen und Selbstwertgefühl in einem unmittelbaren Zusammenhang. Auch Prestigedenken spielt dabei mit. Prestigedenken ist es auch, wie die Studie zeigt, das neunte Schuljahr nicht im Polytechnischen Lehrgang abzusitzen, sondern ihn durch den Besuch einer weiterführenden Schule zu „umgehen".
Nicht ganz ein Drittel wählt diese „Umgehung" - eigentlich ein vernichtendes Zeugnis für diesen Schultyp der Reform 1962 -, nur um die Schulpflicht anderswo auszusitzen. Nur teilweise betroffen sind davon die Allgemeinbildenden höheren, stärker schon (siehe Tabelle) die Berufsbildenden höheren Schulen. Dramatisch wirkt sich der „Umgehungseffekt" für die Berufsbildenen mittleren Schulen (BMS) aus. Nachher halten diesen Schultyp zwar verhältnismäßig viele durch, dafür kommt es bei den Schulen mit längerer Ausbildungsdauer zu vermehrten Abbruchen, voran bei den Berufsbildenden höheren und mittleren Schulen. Im Gegensatz zu den
Burschen geben aber Mädchen danach in den höheren Schulen weniger häufig auf.
Das alles passiert vor dem Hintergrund sinkender Schülerzahlen. „Da es Anfang der neunziger Jahre um ein Viertel weniger Jugendliche gibt als 1980, setzen die mittleren und höheren Schulen ihre Standards immer mehr herunter", analysiert Schneeberger in der Vorpublikation der Studie, um daraus zu folgern, daß dies die Ursache für ein „dramatisches Schulabbrecherphänomen in Österreich" wäre. Dramatisch ist aber eigentlich, daß die Zahl der Schulab-brecher(innen) zunimmt, obwohl das Niveau gesenkt wurde. Das spricht klar für „Überforderung" und gegen jedes Prestigedenken, das „Versager" produziert.
Schneebergers Appell, „Jugendliche, deren Begabungsschwerpunkt im Erfahrungslernen in der Praxis liegt", also die Lehre, nicht abzuqualifizieren - denn dadurch würden sie „fehlorientiert und demotiviert" - ist hingegen vollinhaltlich zuzustimmen.
Die Frage dabei lautet aber nicht „Wie sag' ich 's meinem Kinde?", sondern: Wie bringt man das Eltern bei, die das Beste für ihr Kind wollen.
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