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Von Unfall zu Unfall

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FURCHE-Leser wissen es bereits, daß ich kein leuchtendes Vorbild für Autofahrer bin. Es ist besser, Sie erfahren es von mir: auch als Mitfahrer tauge ich nicht viel, und sogar als Fußgänger bin ich eine Niete, wie die folgenden Musterbeispiele zeigen...

1. Geschichte: Mein Freund Erwin hatte mich zu einer Überlandfahrt eingeladen. Unterwegs zeigte ich ihm meine neuesten Familienfotos. Er bat mich, kurz das Lenkrad zu halten, während er einen Blick auf die Bilder wirft. Sein Vertrauen ehrte und freute mich, ich durfte ihn nicht enttäuschen - ich klammerte mich so fest ans Lenkrad, daß ich dem Ding nicht den geringsten Spielraum gab. Wir fuhren schnurgerade, unbeirrbar, unausweichlich auf einen Kilometerstein zu. Na ja, es hatte mir niemand gesagt, daß eine Landstraße zuweilen leichte Biegungen macht.

Erwin war noch so lieb, das Lenkrad zu verreißen, sodaß wir uns nur dreimal überschlugen, bevor wir im Graben landeten. Ich fühlte sofort, daß ich in einer Blutlache lag. Es waren die Weintrauben, die wir in einem Dorf steigenweise gekauft hatten. Ich soll wie Bacchus ausgesehen haben. Zum Glück wurde uns kein Haar gekrümmt, nur das Auto mußte mein Freund wegschmeißen.

2. Geschichte: „Mit dem Auto eins werden" lautet ein forscher Spruch der Rennfahrer. Nun, endlich habe ich es auch erlebt! Und wie ich eins wurde mit dem Auto, das mich am Zebrastreifen überfahren hat! Es war maradonareif, wie ein Kleinwagen mit einem großen Mann meines Kalibers Fußball spielte. Zuerst ein Kopfschuß mit der Motorhaube, dann ein Elfmeterschuß auf das Pflaster. Ich trug schwere Verletzungen davon, mich trug die Rettung davon. Ich erlitt Prellungen, Rißquetschwunden und einen Beinbruch, weshalb ich einen Stützkragen tragen mußte, weil der laut Anwalt bei Schadenersatzforderungen mehr bringt.

Der Rechtsgelehrte hat den schuldigen Lenker in meinem Namen mit einer Forderung in der Höhe von einer halben Million Schilling überfahren. Die Versicherung verweigert einstweilen die Bezahlung dieser läppischen Summe; sie stellt sich auf den Standpunkt, Zebrastreifen sollten abgeschafft werden, denn sie irritieren sowohl die Autofahrer als auch die überfahrenen Fußgänger.

Man dürfe die Überquerung der Straße für Zweibeiner nicht erleichtem, diese stellten ja nur Verkehrshindernisse für Vierrädler dar. Autolose hätten ihr Leben auf jener Straßenseite abzuwickeln, wo sie geboren wurden.

Dennoch ist mein Anwalt überzeugt, daß wir spätestens in einigen Jahren oder Jahrzehnten einige tausend Schilling Schmerzensgeld herausbekommen werden wie nix. Dann kann ich mich mit dem Geld als Fußgänger zur Ruhe setzen.

Bis dahin muß ich mir nur noch im Kampf zwischen Mensch und Maschine die Feinheiten der hohen Kunst des Überlebens aneignen und mir einen Fußgängerberechtigungsschein besorgen.

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