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Wann wird „Einkaufen” ausverkauft?

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Ich stehe dazu: ich hasse „Einkaufengehen!”. Die Historiker glauben zwar - im Gegensatz zu mir -, daß die Marktplätze früherer Epochen und Länder das Zentrum jedweder Zivilisation waren. Mag sein. Oder auch nicht. Das ist allerdings hier nicht die Frage, sondern die unablässige meiner Frau: „Wann hast Du endlich Zeit, Dir eine neue Hose zu.kaufen?!” Helga, meine liebe Frau, kann so unheimlich heimtückisch fragen, daß mir die Antwort - unpassender Weise, da sie mir eine Hose und kein Hemd kaufen will - im Hals stecken bleibt.

Obwohl ich freiwillig kein Geschäft, geschweige denn ein Kaufhaus betrete, hat mich noch nie ein Marktforschungsinstitut nach meinen liebsten

(Nicht-)Kaufmotiven befragt. So bleibt mir nichts anderes übrig, als mich selbst zu befragen; die Auswertung überlasse ich dann den Experten. Hier also die wichtigsten Ergebnisse dieser, zugegebenermaßen nicht sonderlich großen Stichprobe:

□ Als armer Schlucker bin ich zum Abstinenzler geworden und so kaufe ich nie etwas Überflüsssiges ein.

□ Wem es trotzdem gelingt, meine Kaufbedürfnisse zu wecken - aber bitte nicht vor 7.30 Uhr -, dem geschieht vollkommen recht.

□ Manchmal komme ich trotzdem der herausfordernden Einladung einer Auslage nach und versuche, die Einlagen meines ohnedies schmalhal-sigen (hat nichts mit Hemdkauf zu tun) Bankkontos dort abzuladen. Was mir fast immer gelingt.

□ Ich liebe (auch) die kommerzielle

Geschichte meines Volkes und versuche daher diese zu verfolgen, indem ich den Auszug aus Ägypten mit dem Auszug aus dem Handelsregister vergleiche.

In Anbetracht der eingangs erwähnten Aufforderung meiner Frau zurrf Hosenkauf hätte sie mich damals sicherlich gefragt: „Was?! Mit diesem Anzug willst Du ausziehen...?!” Sie hätte wahrlich meinen schüchternen Einwand, daß „nicht ich mich, sondern Moses uns alle ausziehen will...”, in den geteilten Wind des Roten Meeres (warum nur das Wasser?) geschlagen.

Wenn mir das Wort „geschlagen” hier nicht einfällt, womit, so frage ich, hätte ich die Brücke von Moses, über den geplanten Hosenkauf bis zu meiner generellen Ablehnung des Ein-kaufen-gehens geschlagen? Und bevor ich mich endgültig geschlagen gebe und meinen Canossagang zum Hosenkauf antrete, blicke ich hoffnungsfroh gen Himmel und frage den Herrn aller Aus- und Anzüge: „Wann wirst DU das Einkaufen endgültig ausverkaufen?”

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