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Reform des „Museums für Volkskunde“

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Sie spielte bisher neben dem zünftigen Kunstgewerbe bei weitem nicht die Rolle, die ihr von rechtswegen zukommt, zumindest nicht in Wien. In Salzburg hat die rührige Firma Lanz seit Bestehen der Festspiele Volkskunstmotive in sehr geschickter Weise für industrielle Zwecke ausgewertet und damit ein höchst wirksames Werbemittel für Österreich erschlossen. In Wien gab man sich viel zu wenig Mühe, den nötigen Kontakt , mit den verschiedenen Produktionsstätten in den Bundesländern herzustellen, die mehr oder minder auf dem Boden der Volkskunst stehen, weil sie in der Regel auch die ländliche Bevölkerung mit ihren Fabrikaten zu versorgen haben. Nur selten sah man — in Ausstellungen des österreichischen Museums — die eine oder andere Keramik aus den Gmundner Schleiß-Werkstätten, einen Ofen von Sommerhuber in Steyr oder eine Handweberei von Lois Resch in Schwertberg. Bloß die „Gmundner Keramischen Werkstätten“ besitzen in der Kärntnerstraße eine Niederlage von den übrigen, oft ganz vorzüglichen kunstgewerblichen Betrieben und Hausindustrien in den Alpengebieten erfuhr man hier so gut wie nichts. Die Schuld daran lag in erster Linie beim Wiener „M useum für Volks-k n n d e“, dem in diesem Falle die natürliche Mittlerrolle zugekommen wäre, das aber seit dem Tode seines Gründers Michael Haber-1 a n d t in einen wahren Dornröschenschlaf verfallen war, aus dem es erst in jüngster Zeit durch seinen tatkräftigen neuen Leiter Dr. Leopold Schmidt erweckt wurde.' Diese die Volkskunst der alten Habsburgermonarchie in einzigartiger Weise repräsentierende, außerordentlich reichhaltige Sammlung ist derzeit in den gänzlich unzulänglichen Räumen des Schönborn-Palais in der Laudongasse untergebracht und bedarf drin-gendst einer Erweiterung. Eine solche wäre nach Dr. Schmidts Plänen in der Weise vorzunehmen, daß man den gegenwärtig den Schönbornpark verunzierenden Betonbunker durch einen an den rechten Flügel des Museums anschließenden Seitentrakt ersetzt, der die gesamte slawische Volkskunst aufzunehmen hätte. Sehr wünschenswert wäre et, auch weitere Teile des heute völlig devastierten Schönbornparkes für Museumszwecke heranziehen zu können; allein diesem Wunsche dürfte die Gemeinde kaum nachgeben, da der genannte Park eines der wenigen Luftreservoirs im VIII. Bezirke bildet und als ' Kinderspielplatz und Erholungsstätte schwer zu entbehren ist. Eine Reform und Neubelebung des „Museums für Volkskunde“ ist jedoch für alle Fälle unaufschiebbar, nicht zuletzt im Interesse des heimischen Kunsthandwerks, das sich hier eine Fülle fruchtbarer Anregungen holen kann, die für seine Zukunft mitbestimmend sein werden. Dazu müssen aber nicht nur die Sammlungen nach modernen Gesichtspunkten aufgestellt werden, man muß auch in häufigen Ausstellungen vor Augen führen, was der Kunstfleiß unserer ländlichen Bevölkerung noch heutzutage zu leisten vermag. So werden sich die „Sammlung für modernes Kunstgewerbe“ am Stubenring und das zu neuem Leben erwachte „M useum für Volkskunde“ aufs beste ergänzen, den schaffenden Kunst-gewerbler zu immer höheren Leistungen anspornen, dem fremden Besucher unserer Stadt aber ein anschauliches Bild von der Summe künstlerischer Talente bieten, mit denen der begnadete Boden dieses Landes sowohl den schlichten Mann aus dem Volke wie den kultivierten Künstler ausgestattet hat.

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