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Aber, aber ..

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Der Titel dieses Buches und der Umstand seiner Veröffentlichung durch einen österreichischen Verlag legen auf den ersten Blick hin den Gedanken nahe, daß es sich hier um die Aufzeichnungen eines alt-österreichischen Veteranen handelt, der seinen Teil dazu beitragen wollte, um die Taten eines ruhmreichen Heereskörpers der k. u. k. bewaffneten Macht im ersten Weltkrieg, der 45. Infanterietruppen- (später Schützen-) Division, nicht in Vergessenheit geraten zu lassen: so etwa wie P Bruno S p i t z 1, der in seinen Kriegsmemoiren „Die Rainer“, dem salzburgisch-oberösterreichischen Infanterieregiment Nr. 59, in welchem er 1914 bis 1918 als Feldkurat gedient hatte, ein von echt österreichischem und wahrhaft christlichem und priesterlichem Geist getragenes Denkmal gesetzt hat.

Indes, wer solches vermutet hatte, sieht sich bitter enttäuscht, und mehr noch, wenn er erfährt, daß auch Dr. Gschöpf das Amt eines Militärseelsorgers bekleidet hat; zuerst bei der 4. Division unsere Bundesheeres und dann, nach der „Ueberleitung“, die dem Gewaltakt vom 12. März 1938 gefolgt war, in der 45. Division der deutschen Wehrmacht.

Um den Weg der 45. deutschen Infanteriedivision im zweiten Weltkrieg also handelt es sich hier. Daß dieser Weg gezeichnet war von dem Blut tausender Oesterreicher, die ja den Großteil jener. Division stellen mußten, kommt nur in der beiläufigen Erwähnung „unserer mehr als 5000 Toten“ zum Ausdruck. Im Handumdrehen hat sich der Autor auch das „neue Vokabularum“ zu eigen gemacht; „Ober- und Niederdonau“ wird ihm flugs ebenso geläufig wie „Kommandeur“, diese abscheuliche Verballhornung eines französischen und österreichischen Wortes Aber seine „Gleichschaltung“ ist nicht auf das Sprachliche beschränkt. Streng ..liniengetreu“ und ohne den leisesten Ton einer Kritik reproduziert er die nationalsozialistische Version der drei Landfriedensbrüche, mit denen Hitler seinen Ueberfall auf Polen, eine beschlossene Sache schon im April 1939, vorbereitet hatte, und diesen Ueberfall selbst: und ebenso kritiklos berichtet er über das weitere Geschehen, das seine Division be traf. Ob er die Füsilierung polnischer Freischärler erwähnt („unerfahrene junge Leute ... die ihren Mutwillen natürlich büßen mußten“), oder eine Brandkatastrophe, an der „das unvorsichtige Abbrennen des jüdischen Tempels“ schuld war, oder die schließliche Vernichtung der 45. Division: ein menschliches Empfinden, eine Aeußerung des Mitleids, geschweige denn eine Verurteilung des Urhebers dieses Krieges, sucht man in dieser Darstellung vergebens, und vergebens auch nach einem Satz, der auf eine seelsorgliche Tätigkeit des Divisionspfarrers Dr. Gschöpf hinweisen würde. Selbst die Einführung der sogenannten NSFO, deren Aufgabe es war, die nationalsozialistische Weltanschauung bei der Truppe zu vertiefen, hat sein Gewissen keineswegs beunruhigt: das einzige, was ihm bei dieser Institution bedenklich vorkam, war, daß sie als ein Mißtrauensvotum gegenüber dem Soldaten gedeutet werden konnte ...

, Aber schon das Vorwort genügt vollends, um zn erfahren, in welchem Geist dieses Buch geschrieben ist. „Wir rechneten ja damit“, so steht da schwarz auf weiß, „daß die 45. Infanteriedivision als aktive Friedenstruppe nach Kriegsschluß wieder ihre alten oberösterreichischen Garnisonen beziehen werde. Das war nun freilich eine Fehlrechnung . . .“ Das war es allerdings, so sehr dies Dr. Rudolf Gschöpf und das kleine Häuflein seiner österreichischen Gesinnungsgenossen auch bedauern mögen. Für die überwältigende Mehrheit des österreichischen Volkes stand es schon am 12. März fest, und mehr noch vom ersten Kriegsta'ge an, daß unser österreichisches Vaterland wieder auferstehen würde; und, dem Himmel sei Dank, diese Rechnung ist aufgegangen. Was freilich keine Entschuldigung dafür ist, daß ein solches Buch von einem österreichischen Staatsbürger geschrieben und von einem österreichischen Verlag herausgebracht werden konnte.

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