5 - © Foto: Wolfgang Schwens

„Die Unbezwingbare“: Den Verlorenen die Würde zurück

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"Die Unbezwingbare": Finnen, Anishinabe und die amerikansiche Gesellschaft: Katja Kettus Roman erinnert an ein verdrängtes Kapitel der Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts.

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"Die Unbezwingbare": Finnen, Anishinabe und die amerikansiche Gesellschaft: Katja Kettus Roman erinnert an ein verdrängtes Kapitel der Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts.

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Mit ihrem Vorhaben, Licht in die Geschichte ihrer Vorfahren zu bringen, stand die finnische Schriftstellerin Katja Kettu vor erheblichen Herausforderungen. Im späten 19. bis zum frühen 20. Jahrhundert wanderten rund 300.000 Finnen in die USA aus, wo sie in Reservaten mit indigener Bevölkerung untergebracht wurden. Beide, Finnen wie die Anishinabe, zählten nicht viel. Was immer ihnen widerfuhr, fand keinen Widerhall in der Gesellschaft oder der Geschichtsschreibung. So, wie wir es in Kettus Roman „Die Unbezwingbare“ lesen, befanden sich beide in einem rechtsfreien Raum, fanden keine Möglichkeit, sich zu wehren. Das führte zu solch abenteuerlichen Zuständen, dass einem Anishinabe, der im Ersten Weltkrieg als Soldat in Europa eingesetzt worden war, sein Land genommen wurde, weil er in Abwesenheit seine Pacht nicht zahlte. Profiteur war ein Finne – was die Spannung zwischen Indigenen und Finnen nur verstärkte. Sowieso auf der untersten Stufe der Hierarchie verharrend, mussten sie miteinander auskommen, ohne dass einer vom anderen viel wissen wollte.

Zwei Kulturen trafen aufeinander, die nebeneinander existierten, ohne dass es zu einem bemerkenswerten Austausch gekommen wäre. Und kam es zu Mischehen, hatte das für die Betroffenen und deren Kinder schwerwiegende Folgen. Ächtung gehörte zum gewöhnlichen Alltag, als „Findianer“ wurden sie abgewertet. Gemeinsam war ihnen „ein stilles Wesen und der Alkoholismus“. Das Schweigen zu brechen ist das Anliegen Kettus, das sie in ihrem Roman dramaturgisch geschickt hinbekommt. Sie entreißt Schicksale dem Vergessen, um den Verlorenen ihre Würde zurückzugeben. Sie verfügen nämlich über eine eigene Geschichte, die im Erzählen hervorgeholt werden soll. „Die Unbezwingbare“ erinnert an ein verdrängtes Kapitel der Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts.

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