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Das dritte Getot

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Daß Freude glänze über allem Werke, die Gabe rechten Mühens, Vom Aufgang an des Taggestirns, bis es hinabtaucht, glutenmüd, In Dunkel wieder, so sechsmal,

Hieß Gott, da es zum siebenten heraufrollt, dich ruhn. Nehmen sollst von bester Webe du,

Zu kleiden deinen Leib, und, ledig allen Schweißes Fron, Den Blick inständig gegen Himmel heben. Gerät und Werkzeug raste feierlich in oberem Licht, Auch Ochs und Esel, jeglich nutzbares Getier im Haus, Sei ohne Joch und Plage.

Zur Andacht rufe dann dein Weib und deine Kinder,

Die Ehehalten auch, Knecht und Magd,

Ein frohes Herz in Gottes Schoß zu legen.

Sieh, gerechter Mann, die du an Händen hältst,

Die zur Seite dir in treulicher Genossenschaft,

Das Haus, in dem du späte Einkehr hast,

Das Vieh im Stall, Wiese drauß und Ackergrund,

Des Himmels Regenguß und reifer Sonnenstrahl,

Der Winde sanft und rein belebend Wehen —

All dies gab Gott zu lieben dir, zu mehren, zu besitzen,

Gab dem Werker er zum Pfände.

Heiligen sollst du also den siebenten Tag,

Gott zur Feier, dir zur Feier.

Heiligen sollst du also die Feste des Herrn.

Gott zum Ruhme, seiner Herrlichkeit ein brausendes Gedenken.

Tu auf den österlichen Glocken dein Gemüt,

Was Harm verhärtet spreng ihr leuchtendes Geläute frei.

Auch dir ergrüne Gnade, wie sie Fluren segnet,

Die duldenden, seligen Hügel.

Vom Brote brich, vom Weine nimm,

Des Heiles Kost, Wegzehr der Pilgerschaft.

Denn wer das Aug dem Himmel hat verlobt,

Wird auch auf Erden sehen,

Was zum Ewigen taugt, und ohne Zaudern sein,

Das Eitle von gegründetem Bestand zu scheiden.

Und das Gehör, das nach den Zeiten lauscht,

Wird nicht die Zeit mit wirrem Flügelschlage ängsten.

Hat Schuld den Garten Eden uns verscherzt, Gott gab der Arbeit, gab dem Salz der Stirn Wider Dorn und Stein das Fruchtbare zu wirken, Wovon zu essen nicht Erkenntnis bringt, Doch Frieden allen, die ihn willens sind.

Der einzugehn die Gnade hat in solchem Brote solcher Erde —

O freue dich! Ein frohes Leuchten macht die Krume dein

Dem Himmel nah. Dies läßt den Tag, da deine Hände feiern,

Dir zum Feiertage werden.

Der Geist im Brot, der Leib im Brot:

O heilig Auftrag, Erbe deinen Söhnen.

Aus dem werdenden Buch: Der Dekalog. Zehn Oden denn dieser Zustand erhält sowohl die Geistlichkeit wie das Volk unter den lebenskräftigen geistigen und materiellen Bedingungen des Urchristentums. In Schottland werden unsere Bischöfe bei Fürsten oder diplomatischen Zusammenkünften nicht eingeladen, daher nehmen sie die Bischofswürde auf sich, wie Gott will, daß sie sie annehmen, einfach und bescheiden, eher als Pflicht denn als Vorzug. Und unsere Laien sind sich bewußt, daß eher ein Kamel durch ein Nadelöhr geht als ein Reicher in den Himmel, daher nehmen sie die Armut als Beweis für die Liebe Gottes auf sich und opfern ihre mühselige Arbeit, ihr Fahr-kartenknipsen und ihr Bodenscheuern auf wie ein Loblied zur größeren Ehre und zum Ruhme des Herrn. Die meisten von ihnen sind nicht sehr begabt, das stimmt. Aber beide, die Dummen und die Klugen, waren es, welche stets die Kirche Gottes füllten, die Halbgebildeten hingegen waren schon immer zu hochmütig dafür.“ Father Smith fragte sich, ob er nicht zu weit gegangen sei und war froh, daß Lady Ippecacuanlia die Aufmerksamkeit ihrem Gatten zuwendete, der mit dem fünfzehnjährigen Sohn die Straße heraufstolzierte.

Sir Dugald Ippecacuanha hatte ein purpurrotes Klubfenstergesicht und roch nach solidem Tweed, Lakritzenkügelchen und Zigarren. Zehn Jahre lang war er in der Berufsarmee gewesen und hatte sich dann zurückgezogen, um sein Landgut zu verwalten. Sein Sohn war ein goldener Junge, der auf der Schule stets das Kricketspiel gewann.

„Father Smith erteilte mir soeben eine heilsame Lektion in der Demut“, erklärte Lady Ippecacuanha.

„Freut mich, daß es jemandem gelingt, ihr Meister zu werden, Father“, schnarrte Sir Dugald. „Ich bin weiter nicht überrascht, daß es durch einen römisch-katholischen Geistlichen geschieht. Ich traf ihrer manche in der Armee, und alle waren stets gute Kameraden. Es ließ sich mit ihnen reden. Mit der Religion übertrieben sie nichts, nicht mehr als andere Leute. Wir hatten einen bei uns am Offizierstisch in Delhi; der trank wie ein Fisch und spielte fabelhaft Polo.“

Father Smith war nicht ganz der Meinung, daß die von Sir Dugald erwähnten Eigenschaften unbedingt zum Wesen des Priesters gehörten; aber er sagte sich, für heute vormittag habe er genug gepredigt, und zudem bemühte sich ja Sir Dugald offensichtlich, liebenswürdig zu erscheinen.

„Es sieht ganz so aus, als ob es bald losginge“, sagte Sir Dugald, als er mit Lady Ippecacuanha aufbrach. „Die Deutschen wollen mir gar nicht mehr gefallen. Ach, wenn's so weit kommt, mache ich mit. In den Friedenszeiten ist das Soldatenleben ein Schwindel; aber im Krieg ist es herrlich. Wenn's so weit kommt, wird jeder Kerl mit etwas Grütze darauf brennen, mitzumachen.“

Father Smith sah, daß Lady Ippecacuanha die Begeisterung ihres Gemahls nicht teilte, und auch er teilte sie nicht, weil er dachte, daß Kriege unter den Völkern die Menschen nur daran hinderten, zu leben, wie Gott es verlangte. Nach seiner Rückkehr ins Pfarrhaus hatte er Mühe, das Brevier zu beginnen, weil ihn die Worte Sir Dugalds tief beunruhigt hatten.

Aus: Bruce Marshall: Die Welt, das Glück und Father Smith, Zürich, Morgirten-Verlaq

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