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Der „ Sonntags-Streß”

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Moses stieg vom Berg Im Im und den Fleißigen auf die Hände. Dar-Wf aufhin wurde - von mf höchster Stelle - die absolute Sabbat-Ruhe ausgesprochen. Seither gilt Moses als der geheime Heilige aller Gewerkschafter. Was die Alt- können, das beherrschen auch die Neu-Testa-mentler, von den Anhängern des Korans ganz zu schweigen: Die verordnete Ruhe blieb, nur der Tag änderte sich. Kishon („Fin Apfel ist an allem schuld”, Bastei-Lübbe) behauptet, daß die Juden seit Moses am Sabbat nicht einmal Holz hacken dürfen. Das beruhigt mich, macht aber meine, fast immer funktionierende, Etagenheizung etwa nervös.

Moses kannte allerdings meine geliebte Frau, Helga, nicht, die von Montag bis Samstag das normalfleißige Leben einer „aktiven Ruheständlerin” führt, am Sonntag aber besonders fleißig wird. An diesem angeblichen Ruhetag, werde ich mit dem zweiten Sonnenstrahl geweckt; mit dem ersten steht Helga auf. Laut Tagesbefehl muß ich schnell frühstücken, um alsbald bei Schönwetter Richtung Wienerwald (Bäume, keine Restaurants), oder Schönbrunn (bei Schlechtwetter und als Belohnung ein Langos) unterwegs zu sein.

Dieser - von Gott gänzlich ungewollte - Sonntags-Streß steigert sich am Urlaubsanfang ins schier Unermeßliche. So kenne ich kein Flugzeug Richtung Kanarische Inseln, das nach acht Uhr starten würde. Das heißt: 6.30 Uhr Schwechat, 5.30 Uhr Abfahrt mit dem Taxi und 4.30 Uhr aufstehen. Wie ein Bäcker.

Glücklicherweise habe ich nur 30 Urlaubstage; in den restlichen kann ich streßfrei meiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen: als Beamter dem Staat und seinem Volk dienen. Für mich gibt es, wenn ich vom Zusammensein mit meiner geliebten Frau absehe, nichts Schöneres, als hinter meinem Schreibtisch zu sitzen und ängstlich auf die Uhr zu schauen: „Hoffentlich ist nicht bald Dienstschluß...!” Kaum einer meiner Kollegen versteht es, warum ich so gerne im Büro bin. Am Anfang konnte ich es noch erklären, daß ich meine Arbeit liebe, später blieb mir nur mehr die Schilderung meines „Sonntags-Streß” übrig.

Mit meinen Freunden Fritzi und Helmut- beide langjährige FlIRCHE-Abonnenten - konnte ich unlängst in einem angenehmen OBB-Abteil zwischen Wien und Nürnberg die Tücken meines Lieblingsthemas („Sonntags-Streß”) ausführlich erörtern. Nur der schier unerschöpflichen Höflichkeit dieser beiden nichtbeamteten Selbständigen verdanke ich, daß sie nicht den Zug-Psychiater (einst hießen sie schlicht und einfach „Schaffner”) gerufen haben.

„Am siebenten Tag sollst du ruhen!” sagte einst der Herr. „Am Sonntag stehe gefälligst rechtzeitig auf ...!” sagt die Frau (die meine). Beide haben recht, obwohl die einzigen Beamten, die der Herr kannte, die Tempel- und nicht die Diener des Volkes waren.

Trotzdem hat der Sonntag auch Vorteile: Ich bin den ganzen Tag mit meiner geliebten Frau zusammen und bei sehr schlechtem Wetter darf ich mir Zeit nehmen, einen FURCHE-Artikel zu schreiben. Wie zum Beispiel diesen, den Sie jetzt gelesen haben.

Und da soll noch jemand sagen, daß Streß - auch am Sonntag - keine Freude bereitet; zumindest für mich.

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