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Lemberg noch in unserem Besitz

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„Lemberg noch in unserem Besitz“: Eine Zeitungsschlagzeile aus dem Jahre 1915j^f Und viel mehr. Die schreckliche Gewißheit vor allem, die russische Dampfwalze fast vor den Toren Budapests und Wiens zu haben.

Etliche Monate vorher sah es noch ganz anders aus: Mit klingendem Spiel marschierten Altösterreichs Regimenter in den Krieg. In die fesche hechtgraue Uniform gekleidet, die Offiziere mit hellbraunem Riemenzeug, Säbel und Pistole. „Zu Weihnachten sind wir wieder zu Hause!“, riefen die Soldaten, und „Jeder Schuß ein Russ' “, jubelten die Zuschauer.

„Lemberg noch in unserem Besitz“: Die schwer kämpfende k. u. k. Armee hielt stand. Doch die Verluste waren hoch, sehr hoch sogar. Besonders unter den Offizieren, die in den ersten Kriegstagen noch einige Schritte vor der Schützenkette mit gezogenem Säbel auf die gegnerischen Schützengräben zuliefen. Auf einen gut getarnten Gegner, der etliche Jahre vorher die taktische Überlegenheit eines modern ausgebildeten Heeres am eigenen Leib verspüren mußte.

Aus dem fröhlichen Manöverfeldzug, aus der „Strafexpedition“, war der Grabenkrieg geworden. Der Krieg, der mit neuen Waffen geführt wurde: Die „Aviatik“ erhielt schlachtentscheidende Bedeutung, der Kavallerist kämpfte abgesessen, das Maschinengewehr hielt vernichtende Ernte. Und zum erstenmal in der Kriegsgeschichte tauchten Zahlen auf, Zahlen, deren Höhe vor wenigen Jahren jeder Generalstäbler für unglaubhaft gehalten hätte. Millionen an Gefangenen, Millionen von Granaten. Der Krieg hatte alle Maßstäbe verloren...

Die bunten Uniformen der Kavallerie hatten längst das schmutzige Grau der Wolhynischen Sümpfe angenommen, Flußnamen von unheimlichen Klang wie Stryj und San füllten täglich die Spalten der Zeitungen.

An dieses erste Jahr in Österreich-Ungarns letztem Krieg erinnert die eben eröffnete Ausstellung im Wiener Heeresgeschichtlichen Museum. Eine Ausstellung, in der die Photographie als Mittel historischer Dokumentation in starkem Ausmaß herangezogen wurde.

Eindringlich vor allem die großen Schauobjekte: der Albatros-Doppeldecker etwa, dessen Sperrholz-Leinwand-Konstruktion in Wien gefertigt wurde, eine Haubitze M 99, ein erbeutetes russisches und ein österreichisches Maschinengewehr. Eine Schautafel mit der Mannesausrüstung des k. u. k. Infanteristen — sie wog immerhin 28 Kilogramm — und Adjustierungsdetails runden das Bild vom Weltkriegssoldaten ab.

In einer Schauvitrine eine Reihe von Porträts: die Armeeführer. Kaum einervon ihnen sollte sein Kommando die vier Kriegsjahre lang ausüben. Weder der unglückselige Potiorek, noch Brudermann. Nicht einmal der Chef des Generalstabes, Conrad.

In der Mitte des Saales schließlich der Turm des 1962 gehobenen k. u. k. Unterseebootes 20. Von den Italienern im Juni 1918 versenkt, hat das Boot nun seinen letzten Ankerplatz gefunden. Mahnmal für Österreichs Seeleute, Erinnerung an Österreichs verlorenen Strand.

Eine Unzahl von Dokumenten, Schautafeln, Landkarten ergänzt die Schau, die, wie der Bundespräsident bei der Eröffnung erklärte, ein bitteres halbes Jahrhundert nach dem Ausbruch des ersten Weltkriegs nur den Sinn einer Warnung vor dem Krieg besitzen kann.

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