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Diener der „großen Schweigerin“

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Die politischen und vor allem die wirtschaftlichen Wirkungen des ersten Weltkrieges haben ihren Anteil an der ablehnenden Haltung der Österreicher gegen das Kriegshandwerk. Aber — ob wir wollen oder nicht: immer wieder tritt der zweite Weltkrieg in der zahlreich einströmenden Literatur an uns heran. Man analysiert die beiderseitigen Kriegshand- lunger und zeichnet die Porträts ihrer Heroeiįi nach — bis zu den Ordensgraden und höchsten Anerkennungen.

Hattlen wir Österreicher im ersten Weltkrieg keine Persönlichkeiten, die sich im Widerstand und Kampf gegen das ihnen bestimmte Schicksal bewährten? Die Leistungen der alten Armee wurden in Fach- und Kameradschaftskreisen verzeichnet, doch nach außen blieb man stumm, „die große Schweigerin blieb sich treu. Man kannte außer den tragenden Namen der österreichischen und deutschen Generalität wohl einen Richthofen, Immelmann, Pliischow, Oberleutnant Rommel und andere, aber aus der Reihe der österreichischen Helden ist kaum ein Name allgemein geläufig.

Wie viele sind es wohl, die von Oberleutnant Franz Kern gehört haben — er wurde, wohl ein einzig dastehendes Phänomen, z w ö 1 f m a 1 wegen Tapferkeit ausgezeichnet! Kern starb zwischen den beiden Weltkriegen, kaum beachtet, als österreichischer Gendarmerieoberst. Der zehnmal ausgezeichnete Marinepilot Gottfried B a n f i e 1 d soll heute in Triest eine Schiffahrtsgesellschaft leiten.

In mühsamer Kleinarbeit wurde eine Liste derjenigen Soldaten zusammengetragen, die im ersten Weltkrieg am häufigsten wegen Tapferkeit vor dem Feind ausgezeichnet worden sind. Wir wogen nicht, sie .die Tapfersten der Tapferen“ zu nennen, denn dieser Name gebührt den längst Ruhenden, denen die Friedensglocke von Rovereto läutet. AbeT auch unter denen, die den Krieg überlebt haben, hat der Tod inzwischen bittere Ernte gehalten. Das Schicksal mancher ist überdies nicht mehr festzustellen. In Österreich leben noch zwei ehemalige Offiziere, die acht Tapferkeitsauszeichnungen tragen: Oberst und Theresienritter Sonnewend, der als Hauptmann der Infanterie am Balkan und Italien genannt und wegen seines Heldenmuts geehrt wurde, dann Dozent und Generalsekretär des Notrings der wissenschaftlichen Verbände Österreichs, Dr. Stratil-Sauer, der als Oberleutnant der Infanterie-Be- gleit-Artillerie in zwölf Isonzoschlachten zur Stelle war, wo die Not am größten.

Es gab selbstverständlich auch unter den Unteroffizieren und Mannschaften Oftausgezeichnete, doch läßt sich hier angesichts der übergroßen Zahl eine ähnliche Aufstellung, wie sie bei den Offizieren nach viel Mühe gelungen ist, derzeit nicht machen. Als Beispiel von den bekannt gewordenen Meistausgezeichneten sei in erster Liiiie der Offiziersstellvertreter Julius Arigi genannt, der sidi als Feldpilot elf Tapferkeitsauszeichnungen erwarb. Sechs mal wurden unter anderen ausgezeichnet: Heinrich Diefenbach, Karl Heuberger, Josef Kou- b e k, Franz M a rent, Karl Wrbka, Anton Wriesenegger, alle der Infanterie angehörend.

Im Kriege 1914/18 dienten 230.000 Offiziere des Aktiv-, Reserve- und Landsturmstandes in der Österreichisch-ungarischen Armee. Zu dieser Summe wäre die Zahl der sieben- bis zwölfmal Ausgezeichneten in Beziehung zu setzen. Diese Zahl beträgt 238, das sind rund 0,1 Prozent, und zwar sind hievon: 50 Generale, ll4 Stabsund 74 Oberoffiziere. Unter diesen nehmen die Innerösterreicher fast zwei Drittel ein, ansonsten sind so ziemlich alle Nationen vertreten; im letzten Drittel sind die Magyaren zahlreicher. Eine Aufgliederung nach den Stäben: General-, Artillerie- und Geniestab sowie nach den Waffengattungen: Infanterie, Kavallerie, Artillerie, Pioniere, Flieger und Kriegsmarine ist schwer möglich, da viele Offiziere bei Umorganisierungen und Versetzungen über eigene Bitte die Waffengattungen wechselten oder beförderte Offiziere der Stäbe zum Beispiel bei der Truppe ausgezeichnet wurden usw.

Es war nur je ein Offizier Träger von zwölf und zehn Tapferkeitsauszeichnungen, neun hatten neun, nur 45 acht und 182 sieben Auszeichnungen.

Der erste Weltkrieg unterschied sich vom zweiten dadurch, daß die Truppen den ganzen Krieg hindurch ununterbrochen im Kampfe, zumeist im seelisch und physisch die höchsten Anforderungen beanspruchenden Stellungskrieg einem zahlenmäßig, technisch und materiell weit überlegenen Gegner gegenüber standen, und daß nur sehr geringe Teile der Streitkräfte an der Ostfront 1918 längere Ruhepausen hatten. Der Einsatz von Offizier und Mann war daher sehr intensiv, die Anerkennungen durch Tapferkeitsauszeichnungen aber sparsam.

Alle hier genannten Persönlichkeiten sollen nicht als Kriegsleute oder gar als Förderer des Kriegsgedankens gerühmt werden, wohl aber als Männer der Pflicht, die stets bereit waren, der Heimat zu dienen, wo immer man sie hinstellte. Solcher Vorbilder der selbstlosen, opferbereiten Pflichterfüllung bedarf heute auf jedem Felde der Arbeit für die Gemeinschaft, für Staat und Volk unsere auf- gaben- und gefahrenreiche Zeit.

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