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Lockvogel Erzbischof

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Um extravagante Wer-be-Ideen ist man in Salzburg nicht verlegen. Vor einigen Monaten stand da plötzlich ein blaues Reklame-Haus auf der Festung und ärgerte die Denkmalschützer. Dabei war alles rechtens: die werbende Bausparkasse hatte 8.000 Schilling Platzmiete bezahlt. Nach drei Tagen verschwand der ungewöhnliche Blickfang. Nur die Zyniker erwarteten, daß demnächst die Milka-Kuh auf dem Domplatz grasen würde.

Indes geschah Unerwartetes. Das Airport-Center, ein Supermarkt im Stadtteil der bezeichnenderweise Himmelreich heißt, kürte vier bekannte und sympathische Salzburger ungefragt zu Werbeträgern einer Kampagne mit erdichteten Testimo-nials. Sie erschienen auf dem städtischen Autobus der Linie 77, in Inseraten und auf Riesenplakaten.

Wütend lief zuerst der Schauspieler Herbert Fux, seines Zeichens auch Mandatar der grünen Bürgerliste, zum Kadi. Die Erregung ist verständlich. Denn Fux ist ein engagierter Schützer und Förderer der Altstadt und überzeugter Gegner betonierter Einkaufstempel an der Stadt-Peripherie. Die Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler betreibt in der Altstadt eine renommierte Mode-Boutique und freut sich keineswegs über die Konkurrenz von Einkaufszentren. Seinerzeit als Präsidentin der Salzburger Wirtschaftskammer hatte sie stets die City-Kaufleute in Schutz genommen und den Supermarkt-Wuchs zu verhindern versucht. Ihr Werbe-Bildnis für den Feind macht sie unglaubwürdig. Sie erstattete Anzeige.

Eher gelassen und angeblich mit einem Anflug von Humor reagierte Salzburgs Erzbischof Georg Eder auf die ihm angedichtete Einladung, ins „Himmelreich” zu kommen. Priester und Bischöfe sind zwar schon seit etlichen Jahren für Karikaturisten und Werber vogelfrei, aber just der Salzburger Oberhirte, dem man alles mögliche nur nicht Konsumlust nachsagen kann, ist denn doch ein arger Anachronismus. Nicht eben schlau für die allzeit prekären finanziellen Belange seiner Erzdiözese war seine Anzeige wider den komischen Gebrauch seiner Person. Er forderte die Unterlassung und einen Schilling symbolischen Schadenersatz.

Der einzige, der nicht vors Gericht zieht und dafür 100.000 Schilling Spende für einen wohltätigen Zweck fordert, ist- Kaiserenkel und EU-Abgeordneter Karl Habsburg. Möglicherweise schätzt er den unerwarteten Popularitätsgewinn.

Die zu erwartenden Gerichtsverfahren dürften allerhand Aufsehen und Heiterkeit erregen. Womit, wie immer sie ausgehen mögen, der von den Werbern gewünschte Aufmerksamkeits-Effekt erreicht wird. Die städtischen Verkehrsbetriebe konnten nebenbei für ihre Linie noch nie so viel Staunen, Lachen und Fotografieren erreichen. Die Bevölkerung der Festspielstadt, die die neueste Unterhaltung nicht ohne Schadenfreude genießt, hat jedenfalls Gesprächsstoff.

Doch Spaß beiseite! Wie ist das mit dem Recht auf das eigene Bild, welches im Urheberrecht verankert ist? Es gilt nicht für Personen von öffentlichem Interesse und es bezieht sich eigentlich auf Fotos - und nicht auf karikaturähnliche' Luftpinselzeichnungen, die spitzfindig als Kunst interpretiert werden können. Heißt das nun, daß jedermann ungefragt zur Werbe-Attraktion werden kann? Hüten Sie sich, lieber Mitmensch, ein sympathischer oder bekannter Zeitgenosse zu sein, wenn Sie nicht demnächst plakatiert werden wollen. Andererseits: Welch ein Gewinn wäre es für die wähl werbenden Parteien, wenn ihnen die Supermärkte und ähnliche Unternehmen die Kandidaten-Gesichtsbäder sponsern würden! Ich fürchte zwar nicht, daß ich demnächst drankomme, aber zur Vorsicht binde ich mir künftig beim Einkauf eine Gesichtsmaske um und gebärde mich möglichst unsympathisch. Denselben Rat gebe” ich geistlichen Würdenträgern. Die Gläubigen mögen sich bitte nicht wundern oder entsetzen. Demnächst der gesamte Episkopat an der Plakatwand für Hundefutter oder dergleichen. Nein, danke!

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