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Digital In Arbeit

MSGR. LEOPOLD UNGAR / BETHLEHEM MAHNT

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Der Leiter der Caritas der Erzdiözese Wien arbeitet im Caritashaus in Wien, Währinger Straße 104. Ein typisches Zinshaus aus der Jahrhundertwende, nun aber neu adaptiert. Vom Fenster seines Arbeitszimmers im ersten Stock geht der Blick genau auf die gegenüberliegende Stadtbahn-hahestelle. Das Kommen und Gehen dort unterscheidet sich aber nicht viel von dem Parteienverkehr in der Caritaszentrale. Nur stimmt das Wort „Parteienverkehr“ nicht. Denn das Wort Partei hat mit Behörde zu tun, und gerade das ist die Caritas nicht.

Monsignore Leopold Ungar heifit offiziell Caritasdirektor. Er bittet aber gleich, diesen Titel nicht zu gebrauchen, er klingt nämlich nach einer Firma. Der Mittelgroße, sportlich Wirkende, der seit 1948 in der Caritas, seit Prälat Weinbachers Berufung nach Rom, tätig ist, hat natürlich wenig freie Zeit, um des langen und breiten zu erzählen. Der gelernte Jurist (Doktorhut der Universität Wien) und Theologe aus Berufung, geboren 1912 in Wiener Neustadt, hätte sich gerne der Patristik gewidmet, aber dazu hat er ebensowenig Zeit wie zu seinem sportlichen Hobby, zum Schwimmen. Die Arbeit ist immer mehr geworden, das ..Personal“ das gleiche geblieben. Dazwischen klingelt das Telephon, einmal antwortet Msgr. Ungar auf deutsch, dann auf englisch, dann spricht er französisch. „Ich war längere Zeit in Paris“, sagt er. Im Schematismus steht tatsächlich noch „ Weltpriest er der St. Brieuc“. „Unser schwierigstes, ja zentrales Problem ist die Altersbetreuung“, erklärt Dr. Ungar, „das ist aber nicht nur ein karitatives, sondern vor allem ein soziologisches, denn die Vergreisung

Österreichs wird sich nur durch die Generationen lösen lassen.“

„Ja“, sagt Monsignore und zieht an seiner Pfeife, „aber für wirklich großzügige Pläne wären noch viele, viele Spenden notwendig. Die Erfahrung zeigt, daß die Menschen meist nur durch eine Emotion geben. Der beste Beweis war die Ungarnkrise. Es war wie eine Lawine der Hilfsbereitschaft damals gewesen. Dann ebbte es ab. So ist es mit Frejus. Die Illustrierten haben sich bereits anderen Themen zugewendet, die Not entschwindet dem Bewußtsein. Freilich, immer wieder gibt es Beispiele. Als ich unlängst aus dem Haustor trat, übergab mir eine einfache Frau 2000 S. Das war ein Opfer, ein echtes persönliches Opfer.“

„Ich habe einen Film gesehen, es war vor einigen Wochen“, sagt Msgr. Ungar. „Er handelt vom Leben der Flüchtlinge in einem den meisten Christen nicht ganz unbekannten Ort, nämlich Bethlehem. Das Flüchtlingselend im Geburtsort Christi ist derart himmelschreiend, daß wir jede Weihnachtsfeier, bei der wir es uns gut gehen lassen, als eine Blasphemie ansehen müssen, wenn wir die Augen vor dem verschließen, was sich dort und an anderen Orten abspielt.“

Zu persönlichen Opfern rief auch Kardinal König auf. Gerade jetzt böte die Faschingszeit, da der Schilling rollt, Gelegenheit dazu, durch eine Art „freiwilliger Lustbarkeitssteuer“ den Hungernden zu helfen.

Im Alten Testament lehrt uns'der fromme König David, wir müßten uns alle auf dieser Erde als Fremdlinge und Gäste fühlen, und der neutestamentliche Epheserbrief antwortet ihm, nur der komme über solches Gefühl hinweg, der sich in die Gemeinschaft der Nächstenliebe einordnet.

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