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Sterntalers Wiederkehr

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Der Umgang mit Geld will gelernt sein. Größere ßeträge von Geld bestehen aus bunt bedrucktem Papier. Der Normalverbraucher beherrscht in der Regel nur den Griff von der Brieftasche auf den Ladentisch. Professionals von der Bank oder Post erkennt man am effektvollen Zählgriff, falls sie diesen durch Einsatz einer Maschine noch nicht verlernt haben. Ansonsten ist die hübsche Präsentation von Geld nur mehr bei Kellnern und Kassierinnen zu beobachten. Der Betrag, den sie präsentieren, ist immer kleiner als jener, den man ihnen gereichthat, siehe Wechselgeld.

Wer aber beherrscht die Kunst, Banknoten aus der Luft zu fangen? Er: forderlich war diese Kunst bisher höchstens dann, wenn jemand bei starkem Wind seine Brieftasche unvorsichtig öffnete. Die Jagd nach einem verwehten Tausender konnte schon spannend sein. Aber inmitten eines Sturmes zu stehen, in dem die Tausender und Fünftausender nur so herumflattern, und möglichst schnell möglichst viele davon zu fangen, das war noch nie da.

Diese Sterntaler-Situation hat die österreichische Glücksspiel-Monopolverwaltung jetzt erfunden. Der Clou: Greifbares, leibhaftiges Geld weckt den Begehrens-Instinkt noch mehr als die Abstraktion als Scheck, Gutschrift, Sparbuch et cetera. Die Geilheit des Geldes muß der Spieler fühlen, muß raffen, jagen, sich so richtig gierig austoben. Mit dem alten Sterntaler-Märchen, in dem das Geld in aller Unschuld auf die überraschte Armut fällt, hat die Sache nur im Prinzip zu tun. Der neue Money-Ma-ker ist der kapitalistische Greifer. Die Inszenierung erinnert eher an den zweiten Teil des „Faust”, wenn bei der Erfindung des Papiergeldes die Regisseure dem baffen Hofstaat die Banknoten ins Gesicht blasen.

Der Effekt für den sogenannten kleinen Mann: So leicht kommt man zu Geld. Man muß nur kräftig zulangen und fassen. Haben etwa gar die Zweitberufs-Politiker dieses Glücksspiel schon vorher heimlich gesehen?

Ohne Training kein Erfolg. In Ermangelung großer Banknotenbündel tun es gewöhnliche auf Format geschnittene Zettel auch. Im heimischen Kabinett stelle man einen Ventilator, eventuell einen kräftigen Haarfön, auf, und wirble die Pseudo-Banknoten durch die Luft. Eine Kontrollperson -die Gattin? - mißt die Zeit per Stoppoder Armbanduhr. Und jetzt: Jagen, fangen, raffen! Wer in 30 Sekunden über 100.000 Schilling ergattert, der hat die nötige Fitneß, um das häusliche Spiel gegen das wirkliche zu tauschen. Vielleicht kommen demnächst auch Fitneß-Studios oder ähnliche Sportbetriebe auf die Idee, fertig installierte und perfektionierte Money-Maker-Trainingskammern aufzustellen. Rubbeln haben die Glücksspiel-Monopolisten die Österreicher schon gelehrt - jetzt lehren sie uns den Banknotenfang.

Das ist die wahre Leistungsgesellschaft! Ein Volk von flotten Greifern. Das ist so richtig lebensnah. Das nährt den gesunden Egoismus. Zum Glück noch die Geschicklichkeit. Geradezu genial! Fragt sich nur: Wie trage ich das geraffte Banknotenbündel nach Hause? Unsicher sind die Zeiten und Wege. Wie weiland Bela R. im Köf-ferli? Und dann, was tun damit? Schöpft der Mann am Rankschalter nicht unredlichen Verdacht, wenn ich mit 100.000 Schilling in vom Fang zerknitterten Ranknoten ankomme? Steht da nicht plötzlich einer da, zeigt eine Plakette und sagt „Folgen Sie mir unauffällig!”? Und im Wachzimmer muß ich dann meine Geld-Fangkünste im Belegschafts-Fön demonstrieren, damit man mich wieder freiläßt.

Einen Vorschlag für die Geld-Verwendung hätte ich aus aktuellem Anlaß. Für mindestens 24.000 Schilling kann ich an einem Festessen mit dem deutschen Bundeskanzler Kohl und dem Salzburger Erzbischof Eder teilnehmen. Was da auf diese Weise am 31. Juli in der Salzburger Residenz zusammenkommt, rettet den lädierten Dom. Es soll verschämte Geldfänger geben, die gar 100.000 für den „einmaligen Höhepunkt der gesellschaftlichen Anlässe dieser Saison” hinblättern. Oder sollte es Ablässe heißen? Die Einladung ist mir eine Ehre. So hoch hat mich noch niemand eingeschätzt. Da heißt es fleißig im Windkanal trainieren.

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