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Weekendtraum im „gelben Herzen

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Nylon, Plastik, Kunststoffe aller Art halten in der Kunst Einzug, aufblasbare Riesenobjekte, Ballon-Weekend-Häuser — wie das bereits berühmt gewordene „Zum gelben Herzen“ —, phantasieanregende Mini- und Monsterflipper, an denen man sich am besten zu zweit versucht, riesige Plastikfauteuils, in deren schimmernden Kuppeln den Sitzenden illusionistische Farbenspiele und Klangmontagen berieseln, all diese kuriosen Dinge sind in den USA seit kurzem Sensation, Dernier cri. Helme, in deren Visier man einen Blick in ein Kaleidoskop tun kann, quasi als Relaxing-Gerät, oder ungewöhnlich geformte Lampensäulen sind bereits Verkaufsschlager. Verrückte Abstrusitäten, die sich ein paar junge Leute als närrische Rummelplatzattraktionen ausgedacht haben Bürgerschreckgeräte? ... Keineswegs! Drei junge österreichische Künstler, die beiden Architekten Lau-r i d s und Z a m p und der Wiener Maler Klaus Pinter, gründeten vor knapp zwei Jahren eine Künstlergemeinschaft, die sie „Haus-Rucker-Co“ nannten: „Erstens, weil zwei von uns aus dem Hausruck stammen, zweitens, weil wir die konventionellen Häuser einfach .wegrücken' möchten.“

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Nylon, Plastik, Kunststoffe aller Art halten in der Kunst Einzug, aufblasbare Riesenobjekte, Ballon-Weekend-Häuser — wie das bereits berühmt gewordene „Zum gelben Herzen“ —, phantasieanregende Mini- und Monsterflipper, an denen man sich am besten zu zweit versucht, riesige Plastikfauteuils, in deren schimmernden Kuppeln den Sitzenden illusionistische Farbenspiele und Klangmontagen berieseln, all diese kuriosen Dinge sind in den USA seit kurzem Sensation, Dernier cri. Helme, in deren Visier man einen Blick in ein Kaleidoskop tun kann, quasi als Relaxing-Gerät, oder ungewöhnlich geformte Lampensäulen sind bereits Verkaufsschlager. Verrückte Abstrusitäten, die sich ein paar junge Leute als närrische Rummelplatzattraktionen ausgedacht haben Bürgerschreckgeräte? ... Keineswegs! Drei junge österreichische Künstler, die beiden Architekten Lau-r i d s und Z a m p und der Wiener Maler Klaus Pinter, gründeten vor knapp zwei Jahren eine Künstlergemeinschaft, die sie „Haus-Rucker-Co“ nannten: „Erstens, weil zwei von uns aus dem Hausruck stammen, zweitens, weil wir die konventionellen Häuser einfach .wegrücken' möchten.“

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Nun, die drei, früher — ganz seriös — mit Städteplanung und Umweltgestaltung respektive Malerei im großen Stil befaßt, experimentieren seither mit neuen Formen, mit denen sie den engsten Umraum des Menschen zeitgemäß erneuern möchten. An die 20 raffiniert ausgeklügelte, technisch hochinteressant konstruierte Prototypen haben international eine Flut von Kommentaren zur Situation der neuen Kunst und Um-raumgestaltung ausgelöst und die Verbindung von Kunst und Industrie in unzähligen Analysen in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Dr. Werner Hofmann, scheidender Direktor des Wiener Museums des 20. Jahrhunderts, aber auch die moderne Werbung erkannten, daß da in Wien ganz neue Dinge entstehen, die vielleicht für die Kunst und Werbung der Zukunft richtungsweisend werden. 1968 brachten Ausstellungsbeteiligungen in den USA Erfolge, wie sie keiner der unternehmungslustigen jungen Leute zu erhoffen gewagt hätte. New York war von den Kreationen begeistert: „Die Zukunft ist strahlend gelb. Wie Vanilleeis. Eine Vanillezukunft“ mit den Haus-Ruckern, lautete eine Zeitungs-prognose.

Was wollen sie wirklich mit ihren Ob;ekten, die im .ersten Moment manchen schockieren? Entspannung bieten. Die Phantasie anregen. Zum Spiel animieren: Alles Tätigkeiten, die im täglichen Lebenslauf viel zu kurz kommen. Wir haben das Spielen verlernt. Wir müssen erst stimuliert werden. Und auch Kontaktarmut will die Haus-Rucker-Co überwinden helfen. Wofür sich besonders amerikanische Psychiater und Psychologen interessieren. Und zwar sollen da vor allem der Flipper für zwei und das Riesenfauteuil, ein „Mind Expander“

und „Gehimlüfter“ für zwei, helfen, indem ein eingegebenes audio-visu-elles Programm zur totalen Nervenentspannung führt. Auch wenn Wien noch nicht so ganz auf den Geschmack gekommen ist und — wie so oft — nicht weiß, welche Novitäten in den eigenen Mauern kreiert werden, ist der Erfolg, und zwar im Ausland, längst

gesichert: In Köln wird eben für September bei Zwirner eine Ausstellung vorbereitet, die Teilnahme am Kölner Kunstmarkt ist gesichert, in Berlin ist die Nachfrage nach den Haus-Rucker-Multiples nicht gerade klein. In der Eurodomus-Schau in Mailand werden sie 1970 partizipieren. Und nicht von ungefähr interessiert sich unter anderen auch ein deutscher Kaufhaiusring für unkon-

ventionelle Lokalgestaltung der | Gruppe. Ebenso hat das Kunsthaus ■ Hamburg sich bereits angemeldet, und für den Herbst ist in Düsseldorf eine repräsentative Ausstellung fixiert.

In den USA wurde eben eine Monsterschau im Museum of Contem-porary Crafts für März 1970 festgelegt. Gemeinsam mit Walter Pichler und Attersee, zwei weiteren österreichischen „Hits“. Und in Japan werden die Haus-Rucker im „Psychedelic Pavillon“ bei verschiedenen Aktionen vertreten sein. Kurz: sie sind ausgebucht... Nach interessanten kleineren Einzelobjekten, wie den „Roomscirap-pern“, lustigen Beleuchituegssäulen in Fingerform, einer kitzelnden Luftdusche, verschiedenen Lichtmatten, die in jedes noch so häßliche kleine, unorganisch wirkende Eigenheim auf Schalterdruck Leben und Atmosphäre bringen, nach den eigentlich recht billigen Helmen mit Lichtillusionsspielen (um 3000 Schilling!) — Pinter: „Haschisch wird in Hinkunft überflüssig!“ — und anderen Versuchen, etwa zum Thema Weekendvilla, wird nun am „Pneuma-cosme“ gearbeitet, einer großräumigen vertikalen Wohnzelle, in der fünf bis zehn Personen Platz finden. Das Prinzip entspricht etwa dem einer Glühbirne, das heißt, die Drähte sind hier Gänge, durch die man in die Behausung schlüpft. Späteres Ziel ist es, mit solchen Kreationen alte Straßenstrukturen zu erneuern, alte verwohnte Wohnungen, die man jedoch teilweise baulich verwenden kann, durch Riesenballons über- und umzubauen, sie neu zu gestalten.

Wer weiß, welche Möglichkeiten sich da eines Tages ergeben? Und welch phantasiegeladene Architekturszene erst daraus für jede Stadt resultiert?

Über die Anwendungsbereiche haben sich Zamp, Laurids und Pinter geraume Zeit die Köpfe zerbrochen. In ihrem Haus-Rucker-Annual-Report geben sie nun auch darüber Auskunft: Eines der Hauptprobleme sehen sie im Ansteigen der Freizeit, die sich durch Übertechnisierung unheilbringend vermehrt. Sie birgt Gefahren, wenn sie nicht dazu dient, den Menschen andere Aktivitäten entfalten zu lassen und zugleich aber ihm Entspannung zu bringen. „Leisure time problems“, wie sie sie nennen. Was Kindern noch ganz automatisch gegeben ist, das Spielen, fehlt den Erwachsenen. Gerade pneumatische Konstruktionen aus Vinyl-Folien bieten nun ihrer Ansicht nach ideales „Spielzeug“. Billiges Material, ungefährlich, weil luftgefüllt, vielfach verwend- und kombinierbar. Das ist die richtige Grundlage für solche Objekte einer „brave new world“, die alle ästhetischen Wünsche erfüllt. Sie zu konstituieren, ist Hauptanliegen, „eine wahre Wunderwelt für Erwachsene zu erzeugen.“

Diese Überlegungen haben in den USA „eingeschlagen“. Seit Jänner dieses Jahres existiert in New York eine Haus-Rucker-Dependance, die ständig Ausstellungen und Shows vorbereitet, Public-Relations-Arbeit leistet, Kontakte zur Industrie sucht, versucht, einer neuen Werbung neue experimentelle Mittel in die Hand zu geben, die Hits werden. Ein Gebiet, das vorerst unerschöpflich scheint, da gerade die Werbung in dieser Hinsicht erst am Anfang steht.

Zeitschriften wie „Domus“ haben diese Chancen bereits erkannt, den Haus-Ruckern publizistische Hilfestellungen geleistet. In Österreich spricht dagegen das Publikum „zäher“-an. „Vielleicht“ — wie Pinter meint — „weil es zuwenig informiert ist, was hier tatsächlich alles entwickelt werden kann.“ Und natürlich ohne zu wissen, daß Österreich durch die Haus-Rucker-Co international in der Plastic-Art an die vorderste Front, in die Spitzenkategorie im internationalen Standard gerückt ist

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