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Die beiden Oistrach und Klemperer

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Für David Oistrach hat das Wiener Publikum eine begreifliche und wohlbegründete Sympathie. Sieht man ihn auf dem Podium wieder, so wenden Erinnerungen an vergangene, schwere Jahre wach. War er doch einer der ersten — wenn nicht gar der allererste namhafte Gast aus dem Ausland, der 1945 in Wien kon zertierte. Der große Geiger stellt sich nun, mit seinem Sohn als Solisten, als Dirigent eines Brahms-Zyklus vor. Auf dem Programm stand, nach dem Violinkonzert, die 1. Symphonie. Mag sich Oistrach der Welt des norddeutschen Meisters auch über Tschaikowsky genähert haben (es gibt ja slawische Elemente genug in der Musik des ersteren!), so ist das Resultat mehr als erfreulich. Wir hörten einen wunderbar echten, mit Liebe und Verständnis interpretierten Brahms, der von den Symphonikern, die sich offenbar mit dem Dirigenten und dem Solisten in bestem Einvernehmen befanden, mit Genauigkeit, Feinheit und Bravour gespielt wurde. — Igor Oistrach, der jüngere, ist nun auch schon 36 Jahre alt und kann als reifer, technisch hervorragender Künstler bezeichnet werden. An diesem ersten Abend schien er nervös — was aber seinem Spiel eher zustatten kam als daß es Ihm geschadet hätte. — Langanhaltender, sehr herzlicher Beifall, den Vater und Sohn immer wieder auf das Orchester abzulenken versuchten.H. A. F.

Einen Soloabend von höchster Konzentration bot David Oistrach im Musikverein. Von den vier Wiedergaben — Schuberts A-Dur-Duo (DV 574) und dreier Sonaten von Tortini (g-Moll), Ravel (G-Dur) und Prokofieff (f-Moll, op. 80) — gefiel uns die letzte am besten. Obwohl mit bravourösen Passagen und Kunstgriffen randvoll, ist dieses Werk durchaus kein Artistenstück. Oistrach geigte es mit viel Sentiment, ließ die flammenden und gleißenden Melodiefloskeln in satten Farben aufleuchten, kontrastierte sie mit dunklen Klangblöcken, dann wieder mit silbrig flirrenden Kaska den von eigenartigem Schimmeln. Sehr elegant, auch ein wenig gewichtig geriet das „Einspielstück“ von Schubert. In Frieda Bauer hat Oistrach eine hervorragende Begleiterin, die, in Anschlag und Ausdruck ungemein kultiviert, mit viel Geschmack und höchster Dezenz am Flügel assistierte. Enthusiastischer Jubel und etliche Zugaben, so von Janäüek und Bartok.

Das 2. Konzert der Wiener Philharmoniker unter Otto Klemperer war Beethovens 4. und 5. Symphonie und der „Coriolan“-Ouverture gewidmet. Klemperer kam auch diesmal mit einem Minimum an Zeichengebung, mit knappsten formalen Markierungen, oft nur mit Andeutungen für Dynamik und Agogik aus, denen die Philharmoniker präzise, voll Verve und Brio folgten. Ganz so als wären sie mit der Dirigierpraxis dieses eigenwilligen Künstlers seit vielen Jahren vertraut. Wie wenige Interpreten machte er die von Beethoven selbst schmerzlich empfundene Diskrepanz fühlbar, die zwischen dem Wunsch, jede Phrase mit einem Maximum des durch sie Aussagbaren zu erfüllen, der Willensballung und der, weil nur menschlichen, so doch immer wieder erschlaffenden Kraft waltet. Es waren drei Aufführungen voll weiser Klarheit, voll Sachlichkeit, von einer vornehmen Ökonomie, wie man sie selten erlebt.

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