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Ein neuer Hiob

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Mit dem 2. Abonnementkonzert hat Karl Amadeus Hartmanns Münchner „M u s i c a Viva“ ohne Zweifel einen neuen Höhepunkt erreicht. Zunächst hörte man Wolfgang Fortners „Impromptus für Orchester“, ein im Jahre 1957 für Donaueschingen komponiertes Werk mit den beiden Teilen „Prelude“ und „Theme variee“. Fortner geht es dabei um eine „Musica ludens“, aber das spielerische Element ist eben doch sehr gewollt bei ihm, sehr konstruiert, und es bleibt letzten Endes nur ein ziemlich dickflüssiger, pathetischer Expressionismus, dem das eigentliche Intuitive einer improvisierten Kunstform fehlt.

Was echtes Pathos sein soll, reduziert auf das Wesentliche einer gültigen Aussage, bewies wieder einmal folgendes „K o n-z e r t für Klavier, Bläser und Kontrabässe“ von Igor Strawinsky. Wie hier, in den beiden Ecksätzen, die Welt Bachs und im „Largo“ die Beethovens in die geistige Schau unserer Zeit einbezogen wird, ist beispielhaft, und es ist keine Übertreibung, dieses Opus als einen der wesentlichsten Beiträge zur Musik des 20. Jahrhunderts zu bezeichnen. Der Pianist Philippe Entremont, sowie der junge italienische Dirigent Piero B e 1 i u g i sicherten dem Werk die ihm gebührende, makellose Interpretation, und das Publikum raste. Bellugi ist ein hervorragender Schlagtechniker und gilt heute schon als zweiter Cantelli, was ihn aber noch von diesem großen Vorbild trennt, ist die geistige Durchdringung eines Werkes.

Das geistliche Spiel „Job“ von Luigi Dallapiccola ist 1950 entstanden und zählt zu den bedeutendsten Schöpfungen der oratorischen Musikliteratur unserer Epoche. Dallapiccola folgte bei seiner Konzipierung des Stoffes dem Buche Hiob aus der Bibel und fand hierzu eine ideale Form der Bindung von dramatischer und religiöser Aussage. Immer wieder ist man erstaunt, wie dieser italienische Meister seine Zwölftonmusik zur Kantabilität

zwingt und damit demonstriert, wie wenig die Zwölftöner am Dogmatischen hängen bleiben müssen, wenn ihnen jener geniale Funke die entsprechenden Einfälle erlaubt. Dallapiccola läßt einen Erzähler auftreten sowie vier Boten, Job selbst und seine drei Freunde Elifaz von Teman, Baldad von Suach und Zofar von Naama. Sowohl die Stimme Gottes als auch die des Satans ist dem Chor anvertraut — eine exemplarische Lösung. Das Werk hinterließ einen tiefen Eindruck und man spürte die Kraft der Überzeugung, die diesem Komponisten innewohnt. Symphonieorchester und Chor des Bayrischen Rundfunks unter Piero Bellugi, sowie die Solisten Hans Herbert Fiedler, Heinz Rehfuß, Liselotte Fölser, Jeanne Deroubaix. Manfred Schmidt und Keith Engen waren diesem ungewöhnlichen, modernen Oratorium vortreffliche Ausführende und Karl Amadeus Hartmann hat wieder einmal das rechte Werk zur rechten Zeit auf das Programm seiner „Musica Viva“ gesetzt.

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