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Denkmäler der Tonkunst in Österreich

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Walter Senn, der gründliche Kenner der Tiroler Musikarchive, macht uns in diesem Bande in dankenswerter Weise mit symphonischer Musik Tiroler Meister aus der Zeit der Vorklassik und Klassik bekannt, die, im Lande gebürtig, hier oder in Bayern wirkten. Während Georg Paul Falks (f 1778) Partita D-dur sowie die Symphonie D-dur von Joh. Elias Sylva (f 1798) bei allem historischen Interesse, das man den Werken entgegenbringt, offensichtlich das provinzielle Ab-legertum des neuen homophonen Stils von Wien und Mannheim charakterisieren, gibt Franz Seb. Haindls fr 1812) G-dur-Sym-phonie, vor allem in ihrem Mittelsatz, weitaus lebendigere musikalische Substanz her. Die stärksten musikalischen Eindrücke vermitteln des Südtirolers Nonnosus M a d 1 s-eders (f 1797) D-dur-Symphonie und das Divertimento in F-dur von Stefan P a I u-s e 11 i, dem Hauskomponisten des Stiftes Stams (f 1805). Daß dieser in seinen Formungen im Bereiche von Partita und Divertimento verbleibt, ist bezeichnend für die traditionalistische Richtung, die unter gesunder, aber doch später Aufnahme des Neuen alle diese Meister auszeichnet. Und diese Feststellung tritt aus der Natur der Dinge gewissen Darlegungen Senns in seinem Vorwort kritisch entgegen. Die Verbindungen, die hier zwischen Innsbruck und Mannheim aufgedeckt werden, darin nämlich, daß Herzog Karl Philipp von Pfalz-Neuburg seit 1704 Statthalter in Innsbruck, bei seinem Regierungsantritt in Mannheim 1717 einen Teil seiner Tiroler Kapelle an den Rhein überführte, sind von hohem Interesse. Jedoch muß irfan vor Sllzu weitgespannten Folgerungen wohl war-neni denn die Mannheimer Schule blühte erst

25 Jahre später auf; diese Kapellmitglieder hatten also keinen Anteil an ihr und — wie die vorliegenden Werke beweisen — ging der Einfluß von Mannheim (und ebenso von Wien) nach Innsbruck, aber nicht umgekehrt. Senn verstrickt sich hier in einer von Erich Schenk geäußerten Auffassung, die „die Mannheimer zu Repräsentanten des Siegeszuges österreichischen Musikgeistes, speziell der österreichischen Symphonie“ madit. Eine solche Auffassung (Schenk gibt in seinem Buch „950 Jahre österreichische Musik“ weder Quellen noch Mitarbeiter an) kann höchstens Gültigkeit haben, wenn man die sudetendeutschen Meister, die dann in Mannheim wirkten, einfach nach ihrer Landsmannschaft wertet. Dann aber wären wir glücklich fast wieder bei „Schubert, dem Sudetendeutschen angelangt! Es geht hier aber doch um die musikalischen Stilkreise, und da zeigt sich, daß diese oberflächliche Auffassung nicht hallbar ist. Seit den Untersuchungen W. G ä ß 1 e r s und H. Werners über das symphonische Schaffen F. X. Richters und I. Holzbauers ist erwiesen, daß diese Teilhaber am Wiener Stilkreis (und ganz besonders Richter) mit ihrem Mannheimer Aufenthalt einer einschneidenden stilistischen Wandlung unterliegen. Sie bewirkt die geniale Musikerpersönlichkeit Joh. Stamitz', der, obwohl ebenfalls Sudetendeutscher, die Einflüsse des Wiener Stilkreises nicht aufgenommen hatte und — man darf es sagen — den neuen Geist, die damalige „Moderne“, schlechthin verkörperte — auch gegenüber der nodi mehr polyphoner Tradition und konserativerer Geistigkeit verhafteten Wiener Vorklassik. (Die Beweise liegen bei Gäßler vor.) Mannheim ist mit Stamitz und mit seiner expressiven „melodia germanica“ gleichsam eine

„Antizipation“ der neuen Zeit. Nach seinem Tode und dem Verfall der Schule, die noch reichen Samen aussät, kommt die Stunde des traditionelleren, aber kontinuierlich ausschreitenden Wien, das gerade im Formalen bedeutendste Vorarbeit geleistet hatte, und es führt mit Haydn und Mozart die Gesamtentwicklung auf den Höhepunkte der organischen klassischen Symphonie und Sonate. Dies nur als eine Andeutung und zugleich als Anregung .zur klaren Beurteilung der Stellung der vorliegenden Tiroler Werke „zwischen den Schulen“. — Die sorgsame Ausgabe Senns verdient alles Lob. Nur: die Continuo-Bearbeitung erscheint doch „zu schlicht“ und ohne jede organische Verbindung, wenn man bedenkt, daß diese modernen Denkmälerausgaben ja auch der Praxis dienen sollen.

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