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Eine Streitkultur tut not
Also der 12. Dezember hat's in sich gehabt! Mein 75er war und fast zwei Kilo habe ich abgenommen, obwohl ich mich beim Essen (und Trinken) nicht zurückgehalten habe. Wieso auch in festlicher Laune? Aber es war so aufregend, ehrend, lustig und sentimental, daß ich - aber wem sag' ich das? Ab jetzt können alle, die es wollen, sogar „in meine Gass'n” kommen, denn Großenzersdorf benannte einen Feldweg, der zur Straße werden wird, nach mir. Genug der Ehr' - ich danke allen und verspreche - in nächster Zeit ruhig zu sein, Ruhe zu geben und auch welche zu verlangen. Ich werde das Buch meines Freundes Erwin Ringel „Das Alter wagen” noch einmal lesen und beabsichtige endlich erwachsen zu werden. No ja, ich muß mich doch von dem Odium, ein „grantelnder Volksschauspieler” zu sein, loslösen.
Übrigens: „Volksschauspieler” ist ein Ehrentitel für mich, das heißt nämlich, ein Bühnenmensch zu sein, der für „das Volk” spielt, den „das Volk” versteht, der für ES da ist. Aber grantelnd? Das ist erstens ein bayerischer Ausdruck und zweitens „grantel” ich nie, auch wenn ich grantig bin. Ich muß einmal Freund
Telemax fragen, wo „grantig sein” herkommt. Aus meinem Inneren sicher nicht. Ich bin der Frieden selber - man macht mich nur oft grantig!! Ich bin zwar kein Bildhauer, aber ich werde oft zur Verwendung von Kraftausdrücken verführt. Y\enn ich mich nicht so beherrschen könnte! In jedem von uns steckt ein Herumschreier, ein Brutalisator, man darf ihn nur nicht herauslassen und wenn es einen noch so drückt. Schwer ist das. ich weiß es. aber bei der Beherrschung beginnt der Kulturmensch. Man darf einfach nicht, weil sich nachher her-ausreden, das kann jeder Schöps und das auch nicht sehr überzeugend! Ich führe da lieber die volkstümliche Klinge und erspare mir. in \ erkleidung zu stänkern. Das überlasse ich dem Weihnachtsmann des Burgtheaters (endlich gibt er zu. ein solcher zu sein). Ich will offenes \ isier - aber ohne Vor- und NachschlaghluTimer.~ Mehr Streit-Kuitur würde den
Neu-Europäern (wie wenn wir Erben des Vielvölkerstaates das nicht schon immer gewesen wären) gut anstehen, steht doch der zweite Teil des Wortes für die Grundeinstellung der Kontrahenten. Das werden 50 bis 60, bis Hundert-Wasserige Hosenabzieher, Klampfen- und Meißel-Athleten schwer verstehen, bramarbasierende Großkotzer schon gar nicht. Aber auf die kommt's eigentlich gar nicht an -die sind mit ein paar Millionen zu zähmen, und halten, wenn man sie richtig ausstopft, die Lästermäuler. Streit-Kultur müssen jene lernen, die, wenn sie falsch streiten, den Glauben an die Demokratie demolieren, jene, die Vorschub leisten, daß die Verfechter einer Dritten Republik sich so in Szene setzen können.
Deine Meinung ist nicht meine, aber ich werde darum kämpfen, daß Du sie sagen darfst, sagte einer der großen Präsidenten der Vereinigten Staaten. Dem Wort des Nationalhelden der USA möchte ich hinzufügen - Du sollst, ja Du mußt Deine Meinung sagen, aber wenn Du sie wie ein Strotter und Fettabschöpfer artikulierst, so wünsche ich Dir - nein nix wünsch' ich Dir an den Hals, ich wünsche Dir nur einen, der den Mut hat, Dir eine ordentliche Watschen zu geben und dabei flüstert: geh, halt die Pappen!
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