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Traumbild

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Also, neugierig bin ich, was wir Wähler uns da am 7. Okto- ber bescheren werden. Eine Koalition der Verlierer oder sonstwas. Man kommt drauf, wie bescheiden die Ansprüche geworden sind. Aus Berufs- gründen steht es mir nicht zu, politikmüde zu werden, aber vor die Wahl gestellt, eine große Koalition der klein geworde- nen Großparteien zu verteidi- gen oder eine Minderheitsre- gierung zu begrüßen oder...

Da flüchte ich lieber in Träu- me und Spekulationen. Zum Beispiel schwebt mir ein Poli- tikertyp vor, der nicht neu ist, sondern nur er selber. Ein Politiker, der kühn genug ist, zusagen: „Mein Gewand wähl' ich mir selber und meine Wor- te auch. Und wenn die Partei- psychologen dem Politiker dann erläuterten, er sei halt etwas farblos und müsse durch seine Kleidung bunter wirken, dann wünsch' ich mir einen Politiker, der erwidert: „Ja, aber geschmacklos soll's nicht sein." Und wenn man ihm dann nahelegen will, das sei modern, dann sollte der Politiker nur antworten: „So modern macht' ich gar nicht sein."

Es sollte Politiker geben, die zum Beispiel vor einer Fern- sehdiskussion ihren Strategen sagen: „Alles, was ihr mir ein- gelernt habt, will ich nicht über die Rampe bringen. Stopft mir das Hirn nicht so voll, das hemmt mich und beeinträch- tigt den letzten Rest an Spon- taneität, der mir verblieben ist. Ein paar Sachen, die mir am Herzen liegen, möchte ich den, wie heißt das, ,den Menschen draußen', sehr direkt näher- bringen, sehr persönlich, ohne Scheu, ob und wie das nun ankommt."

Und wenn der Politiker zum Entsetzen seiner Manager auch noch seiner Tante zugewinkt hat, die ihm, wie er lachend versichert, heute die Daumen drückt, möge er, vor laufender Kamera verkünden, er habe es eigentlich satt, daß ständig mit Meinungsumfragen Politik gemacht werde. Wenn er ein- mal wirklich etwas zu sagen hätte, dann würde er mehr auf die Leute horchen und nicht auf das, was die Meinungsfor- scher meinen, daß die Leute glauben. „ Um bestimmte Fra- gen werde ich mich nicht drük- ken", sollte der Politiker sa- gen: „Was'wiegt, das hat's. Ich bin ja nicht 50 Jahre alt gewor- den, um alles zu verbergen, was ich mir mühsam an eigenem Denken erkämpft habe."

Da werden dann die Strate- gen und Werbepsychologen und die Texteschreiber und alten Füchse die Köpfe zusam- menstecken und flüstern: „Mit dem haben wir uns was Schö- nes eingebrockt." „So geht das nicht", werden sie dem Politi- ker erklären. Doch der wird sagen: „Wenn das nicht geht, dann geh' ich halt." Und er kehrt, nicht ohne Heiterkeit, der Politik den Rücken und in seinen angestammten Beruf zurück.

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