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Neues Leben für alte Universität

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Wiens Quartier latin ist gleichzeitig der älteste Kern der Innenstadt, das alte Universitätsviertel zwischen Fleischmarkt und Wollzeile, das heute in schleichendem Verfall dahindämmert. Es zeigt wohl Ansätze einer Revitalisierung, läßt aber kaum noch die einstige Lebensfülle ahnen. Das Prunkgebäude der Akademie der Wissenschaften, Neubau der Universität unter Maria Theresia, ist hervorragend gepflegt und voll wissenschaftlichen Lebens. Die alte Universitätskirche der Jesuiten bildet am Ignaz-Sei-pel-Platz die Front wie eine Theaterkulisse. Vor Jahren wurde Eliots „Mord im Dom“ dort gespielt. Nicht leicht wird solch ein intimer Platz in Wien oder anderswo zu finden sein. Kleine Boutiquen für Kunsthandwerk und Mode haben sich in der BäckerDominikanerbastei stammen ebenfalls aus der Zeit, da dort die alte Universität stand, sie sind nur zu einem geringen Teil vom Jesuitenorden bewohnt. Sie umsäumen einen größeren, mit alten Bäumen bewachsenen Hof. Universitätsinstitute wie das der By-zantinistik und das Universitätsarchiv unter der Leitung von Professor Franz Gall haben dort Platz und Ruhe gefunden. Noch weitere Institute könnten hier untergebracht werden, statt weiter auf Neubauten zu warten. Teile dieser Gebäude sind noch von der Polizei besetzt und werden als Magazine benützt. Der alte Lesesaal mit seinen Deckenfresken und geschnitzten Bücherregalen diente den Polizisten als Ping-Pong-Raum.

Auch das alte Haus der Staatsdrukstraße angesiedelt. Trister sieht es in der Sonnenfelsgasse aus. Der Großteil1 der Fassaden verbröckelt; wer die Innenhöfe betritt, entdeckt noch alte offene Pawlatschenhöfe, zum Teil durch Pölzungen verstellt.

Zu den ältesten Häusern Wiens zählt das Haus Sonnenfelsgasse 19, die „domus antiqua“, mit der alten Universitätskirche durch einen Schwibbogen verbunden. Vor 350 Jahren hatten es die Jesuiten gekauft und zur domus universitatis, zum Amtsbau der Universität, gemacht, die damals von den Jesuiten geleitet wurde. Zu dieser Zeit entstand die einheitliche, fast klassische Barockfassade. Später wurde im Obergeschoß der Konsistoriaisaal eingebaut, und ein Jahrhundert später erhielt es bei einer Renovierung noch ein drittes Stockwerk dazu. Bis zur Ubersiedlung der Universität auf die Ringstraße am Ende des vorigen Jahrhunderts behielt dieses Haus seine Bestimmung. Nach dem Auszug der Universität diente es verschiedenen ärarischen Zwecken und wurde schließlich 1952 von den Jesuiten zum Kolleg am Seipelplatz hinzugemietet und als Studentenheim seiner früheren Bestimmung angepaßt.

Die Akademie der Wissenschaften, die aus den Nähten platzt, ist nun daran, dieses Haus zu retten. Umfangreiche Arbeiten sind vom Bund bereits eingeleitet. Die Akademie wird die oberen Geschosse nutzen, der große Konsistoriaisaal, der über zwei Stockwerke hoch ist und zu dem nun vom überglasten Hof aus eine Freitreppe führen wird, soll für Publikumsforschung und Erwachsenenbildung revitalisiert werden, während den Jesuiten das Parterre und ein Teil des Kellers für Studentenseelsorge und Bildungsarbeit zur Verfügung stehen sollen.

Die Gebäude aber zwischen dem Kolleg am Ignaz-Seipel-Platz und der kerei gegenüber der Kirche gehört wesensmäßig zum Quartier latin. Unten in der Aula und darüber, im ehemaligen barocken Saal des berühmten Jesuitentheaters mit seinen prächtigen Deckengemälden von Andrea del Pozzo hausen derzeit noch die Büros des Statistischen Zentralamtes. Wohl wurde dieser einzigartige Saal 1951 renoviert, doch heute, nach fast dreißigjähriger Benützung als Büro räume haben sich die Fresken verdüstert, sind so verschmutzt, daß man, hätte man keine Farbdias, kaum mehr die ursprünglichen Szenen wahrnehmen kann.

Was aber könnte - nach einem Auszug des Statistischen Zentralamtes -zur Revitalisierung des grandiosen Theatersaales geschehen, in dem an die tausend Zuschauer Platz finden könnten, und in dem einst eine große Doppelbühne eingerichtet war? Das Reinhardtseminar ist, wie man hört, auf der Suche nach einem größeren geeigneten Objekt und träumt sogar von einem Neubau. Sollte man sich nicht angesichts der bestehenden Möglichkeiten ernstlich damit befassen, ob Aula, Foyer, Theatersaal und Nebenräume wieder zu ihrer alten Bestimmung geführt werden könnten? Ein einzigartiges Kulturzentrum, ähnlich dem des Josefsplatzes, könnte auf diese Weise im lateinischen Viertel von Wien entstehen. Studenten, Akademie der Wissenschaften, Staatsarchiv, Universitätsinstitute und Vortragsräume für Erwachsenenbildung sind bereits vorhanden oder im Entstehen, nur die schönen Künste fehlen noch. Bund, Orden und private Hand haben hier schon still und leise gute Vorarbeiten geleistet. Wird man nun auch das Herz für weitere Mittel haben, um den Lesesaal wie auch die alte Aula und den Theatersaal zu revitalisieren? Wie stellt man sich die Zukunft der alten Häuser der Sonnenfelsgasse vor? Ein Konzept wäre notwendig!

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