7058207-1991_25_20.jpg
Digital In Arbeit

Traumreise

Werbung
Werbung
Werbung

Ich kam hungrig nach Hause. Meine Frau saß über einem Kreuzworträtsel.

„Weißt du, wohin wir heuer im Sommer fahren werden?” fragte sie.

„Nach Baden bei Wien, wie immer.”

„Falsch. Wir werden eine Traumreise machen. Nach Nepal!”

Ich stand da, wie eine Lampe ohne Schnur.

„Wieso nach Nepal?” fragte ich besorgt. Besorgt, weil ich dachte, sie hätte den Verstand verloren.

„Weil ich mich hier an diesem Preisausschreiben beteilige”, sagte sie und zeigte mir eine Illustrierte. „1. Preis: eine Flugreise für zwei Personen nach Nepal, verbunden mit einem vierwöchigen Ferienaufenthalt in einem Luxushotel. Ich habe bloß dieses Kreuzworträtsel zu lösen und die richtige Lösung bis zum 30. April einzusenden.”

„Aber Kind!” sagte ich. Ich sage immer „Kind”, wenn ich besorgt bin. „Aber Kind! Weißt du, wie viele Menschen dieses Rätsel lösen und die richtige Lösung einsenden werden? 100.000!”

„Mehr!” sagte sie ruhig.

„Und nur eine dieser Lösungen wird gezogen.”

„Meine. Mir stimmt nur noch einiges nicht. Zum Beispiel hier, senkrecht: Stadt in Thüringen - Jena. Aber dann hieße hier, waagrecht, Theaterabteil Loje, und es müßte doch Loge heißen.” ,

„Weil die Stadt in Thüringen nicht Jena, sondern Gera heißt.”

„Bist du sicher?”

„Ganz sicher. Und jetzt gehen wir essen.”

„Nur eines noch: Dichter, 1883-1924, lebte in Wien, Schilderung psychologischer Probleme. Erster Buchstabe K - ich habe Kruse geschrieben.”

„Kruse war eine Kunstgewerblerin und erzeugte Puppen. Der Dichter heißt Kafka.”

„Ah!” strahlte sie. „Dann heißt der Vogel, der seine Eier in fremde Nester legt, nicht Kackack, sondern Kuckuck!”

„Wahrscheinlich!” Ich begann, gereizt zu werden.

„Kaiserstuhl?” Sie sah mich an...

„Thron!” antwortete ich, ohne zu überlegen.

„Eben nicht!” Sie triumphierte. „Ich habe im Lexikon nachgeschlagen: Gebirge. Und zwar in der Oberrheinischen Tiefebene. Infolge teilweiser mächtiger Lößbedeckung und großer Sonnenwärme sehr fruchtbar.”

„Erstaunlich!” knurrte mein Magen. „Gehen wir essen!”

„Sofort! Nur noch das da. Maler und Baumeister, 1481 bis 1537, Villa Farnesina in Rom. Sieben Buchstaben, der erste ist P. der letzte I.”

Ich beschloß, die Sache abzukürzen.

„Penetti!” sagte ich. Ich hatte den Namen nie zuvor gehört.

„Dann heißt der Mörder Casars Brubes?”

. „Klar!” Ich verabschiedete mich von der Traumreise. Aber was bedeutete mir Nepal gegen die Leberknödelsuppe, die ich im Vorzimmer gerochen hatte? „Und der Wiener Volkskomponist heißt Schrammeb?”

„Natürlich. Hast du noch nie von einem ,Schrammeb-Quartett' gehört?”

„Und ein indisches Gewand ist ein Zmzrptuu?”

„Wenn es für einen Mann gehört”, belehrte ich sie.

„Ein Frauengewand heißt Zmzrptaa.”

„Und eine altlibanesische Flöte mit N am Anfang? Drei Buchstaben?”

„Num.”

„In der Mitte ist aber ein E.” „Dann Nem. Das ist aber eine klei-

Zepleple. Der Erfinder des ersten lenkbaren Luftschiffes... ne Flöte.” Der Duft der Leberknödelsuppe schlich sich ins Zimmer.

„Dann sind noch drei Wörter da, ohne Angaben. Die muß man nicht nur erraten, man muß auch wissen, was sie bedeuten sollen. Wenn alles richtig ist, was du gesagt hast, heißt das erste Krczitipetl.”

„Das ist ein Berg in Mexico. Das zweite?”

„Zepleple.”

„Der Erfinder des ersten lenkbaren Luftschiffes.”

„Der hieß doch Zeppelin?”

„So nannte er sich. Aber er stammte aus dem vornehmen Geschlecht der Zepleples, und die Zepleples wollten keinen Erfinder in der Suppe” - ich korrigierte schnell -, „in der Sippe haben.”

„Dann haben wir nur noch eines: Krskrstechuan.”

„Das ist ein feuerspeiender Berg, geboren 1326, gestorben 1407.”

„Dann sind wir fertig!” sagte sie glücklich.

Sie sandte die Lösung pünktlich ein. Wir verbrachten den Sommer in Baden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung