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UNI, KOLLEG ODER KURSE?

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Fast jeder dritte junge Österreicher legt heutzutage eine Reifeprüfung ab. Doch für den Arbeitsmarkt ist Matura nicht gleich Matura. Sicher ist: Bildung lohnt sich, Berufsbildung noch mehr als Allgemeinbildung, und am besten ist eine Verbindung von beidem.

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Fast jeder dritte junge Österreicher legt heutzutage eine Reifeprüfung ab. Doch für den Arbeitsmarkt ist Matura nicht gleich Matura. Sicher ist: Bildung lohnt sich, Berufsbildung noch mehr als Allgemeinbildung, und am besten ist eine Verbindung von beidem.

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„Weiterstudieren!” Das rät Otto Leis-singer, Leiferdes Fachverbandes Unternehmensberatung und Datenverarbeitung der Bundeswirtschaftskammer und Inhaber der „Consulting-Gruppe”, Maturanten der allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS). Denn auf dem Arbeitsmarkt haben sie gegenüber ihren Kollegen von den berufsbildenden höheren Schulen (BHS) einen viel schwereren Stand.

Daß dies auch bekannt ist, beweist eine Umfrage aus dem Vorjahr (siehe Kasten): Nach Meinung der Jugend reichen nicht einmal mit zusätzlicher Berufsausbildung die Karrierechancen von AHS-Maturanten an die von BHS-Maturanten heran, ja sie gelten sogar - von der (geringen) Aussicht auf eine Führungsposition abgesehen - als schlechter als jene, die Hauptschule plus Lehre eröffnen.

Das bedeutet zwar nicht, daß auch schon alle BHS-Absolventen ihren Job in der Tasche haben, aber im wesentlichen ist ein Unterkommen nach Abschluß einer Handelsakademie (HAK) oder Höheren Technischen Lehranstalt (HTL) „kein Problem”, weiß Gertrude Aumüllner, Leiterin der Maturantenberatung im Wiener Arbeitsamt. Für AHS-Absolventen sieht sie noch im öffentlichen Dienst und bei Sozialversicherungsträgem Chancen. Banken, früher oft Anlaufstation für AHS-Maturanten, bevorzugen nun HAK-Absolventen.

Also weiterstudieren - aber was?

Es gibt viele Möglichkeiten (Auskünfte an den auf Seite 10 genannten Adressen): ein Hochschulstudium (wobei man auch die Ausfallquote und die durchschnittliche Studiendauer im angestrebten Fach in Betracht ziehen sollte), ein Kurzstudium, ein Kolleg sowie eine Vielfalt von Kurzausbildungen an Hochschulen oder anderen Institutionen, auch das für Maturanten verkürzte Nachholen einer Handwerkslehre.

Es gibt drei klassische Kurzstudien in Österreich (Dauer: fünf bis sechs Semester): das Übersetzerstudium (mit eher schlechten Berufschancen), Datentechnik (mit guten Chancen) und Versicherungsmathematik. Letztere, bald ein Vollstudium, nennt die Wiener Unternehmensberaterin Rita Je-newein spontan als guten Tip.

Die Zahl weiterer Kurzausbildungen wächst ständig. Beispiele: Hochschullehrgänge, von denen Otto Leis-singer besonders die Kurse für Werbung, Marketing und Fremdenverkehr an der Wirtschaftsuniversität hervorhebt. Oder an Wirtschaftsförderungs-instituten angebotene Kurse, die in

Wien ab Herbst 1991 zum Teil mit der Aufnahme auch einen durch die Wiener Handelskammer vermittelten Teilzeitarbeitsvertrag mit einem Wiener Betrieb beinhalten.

Natürlich gibt es auch andere, teils alte Wege, die Maturanten offen stehen: zum Beispiel zum Pflichtschullehrer, zum Sozialarbeiter, zur Europa-Sekretärin oder in Gesundheitsberufe (wie Physikotherapeutin, medizinisch-technische Assistentin). Oft müssen aber hier aus Platzgründen die Ausbildungsstätten - die teils zu Fachhochschulen aufgewertet werden sollen - den größten Teil der Interessierten abweisen und eine Auswahl treffen. Das gilt in besonderem Maß auch für die Kunsthochschulen und für einzelne Kollegs.

Kolleg: die zweite Matura

Durch ein Kolleg, das Nachholen einer BHS-Matura in einem vier- bis sechssemestrigen Kurs, steigen für AHS-Maturanten die Chancen gewaltig. Wenn man bedenkt, daß die AHS-Matura in der Regel nach zwölf, die BHS-Matura aber erst nach 13 Schuljahren abgelegt wird, kann man so mit nur ein bis zwei Jahren Mehraufwand zu einer zweiten Matura kommen, wobei ein HTL-Abschluß mehr Aussichten eröffnet als ein HAK-Zeug-nis. Leute, die so eine berufsorientierte Matura abgelegt oder eine Handwerkslehre abgeschlossen haben und dazu auf ihr AHS-Allgemeinwissen verweisen können, sind für den Arbeitsmarkt sehr attraktiv. Reine BHS-Absolventen bedauern nicht selten, daß ihnen die Allgemeinbildung ihrer AHS-Kollegen fehlt.

In erster Linie ist aber Praxiserfahrung gefragt. Das bestätigen sowohl Rita Jenewein als auch Otto Leissin-ger und raten daher dringend zu Fe-rialjobs - „möglichst auf den angestrebten Beruf bezogen und nicht Packln schupfen auf der Post” (Leis-singer). Zusatzkenntnisse (Sprachen unbedingt Englisch!, Computererfahrung, rhetorische Ausbildung) werden immer wichtiger.

Obwohl ständig von Akademikerarbeitslosigkeit die Rede ist - von der praktisch alle Studienrichtungen betroffen sind, einige allerdings in besonders hohem und/oder zunehmendem Maß (siehe Tabellen auf den Seiten 10 und 11) -, ist ein volles Hochschulstudium noch immer die beste Gewähr für einen Arbeitsplatz und für eine Spitzenposition zunehmend ein Muß. Gerade die Arbeitslosenstatistik beweist, daß Arbeitslosigkeit unter Akademikern deutlich weniger verbreitet ist und langsamer zunimmt. Gertrude Aumüllner bestätigt einen „Verdrängungseffekt”. In die Chefetagen kommen fast nur mehr Akademiker, sie besetzen zunehmend Posten, für die bisher Maturanten ausreichend waren.

„L'art pour l'art” sollte man aber nicht studieren, meint Rita Jenewein, die momentan die Chancen von Betriebswirten, Technikern und Juristen am höchsten einschätzt, das beste - so Leissinger - sei die Verbindung von zwei Studien, davon eines Jus oder Wirtschaft. Am schwersten haben es nach wie vor - wie schon die FUR-CHE-Serie „Matura - was nun?” 1984 ergab - Absolventen philosophischgeisteswissenschaftlicher Fächer.

Manches hat sich aber seither - und zum Teil überraschend - geändert. Volksschullehrer sind plötzlich wieder Mangelware, auch Juristen haben wieder bessere Chancen. Otto Leissinger, auch als Lektor an der Wirt-schaftsuniversität tätig, betont noch etwas: „Geändert hat sich die Einstellung der Studenten. Sie sind fleißiger, ehrgeiziger und zielstrebiger als vor einigen Jahren.” Mit diesen Eigenschaften - die neben dem reinen Fachwissen auf dem Arbeitsmarkt sehr wichtig sind • werden sich die Maturanten von heute auch in der komplizierten Welt von morgen behaupten.

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