Ich erkläre hiermit an Eides statt und auch notariell beglaubigt, daß ich als Politiker noch nie gelogen habe. Das ist wirklich keine Lüge, da ich in meinem Leben noch nie Politiker war. Aber das wollte ich Ihnen heute nicht erzählen. Vielmehr möchte ich Sie mit meiner Empörung über die mißverstandenen und mißbrauchten Politiker, die berechtigte Angst vor den auf- und niedersässigen Journalisten haben, die schon beim Frühstück die armen Politiker beim Wort, statt ihre Kaffeetassen in die Hände nehmen, konfrontieren. (Meine Frau schätzt so lange Sätze nicht; ich auch nicht.)
Bitte, geneigte Furche-Leser: Stellen Sie sich vor, Sie sitzen nichtsahnend, aber umso mehr essend, z. B. in einem Amsterdamer Hotel und frühstücken; so wie ich allmorgendlich in unserer Küche. Plötzlich merke ich, daß aus der unmittelbaren Nachbarschaft kulinarische Rasterfahnder einen Lauschangriff gegen uns starten.
"Ich sag' Dir", so meine aufmerksame Frau, die den Ärmel meines Schlafrocks (eigentlich: Morgenmantel, da ich den ersteren im Büro vergaß) vorsichtig aus dem Honigglas fischte, "wir werden beobachtet ... von Journalisten!" -Ich: "Wieso? Sind wir in Amsterdam?!" Das ist zwar nicht der Fall, aber da man in Zeiten wie diesen nie wissen kann, setzen wir unser Gespräch (Hauptthema: Welches Gemüse werde ich am Abend essen) gedämpft, bei aufgedrehtem Radio und Fernsehen fort.
Tapfer, ich bin immer so, wenn meine Frau bei mir ist, sprach ich Richtung Fenster: "Diese ,Tonbanditen' werden immer unverschämter!" Plötzlich wurde ich still, da es aus dem Nachbarhaus höchst verdächtig krachte und mich der Mut, trotz Helgas Anwesenheit, verließ.
"Du glaubst", fragte ich Helga vorsichtig, "ich hätte zum Bankbeamten doch nicht ,Schau' sagen sollen; man kann dieses Wort so leicht mißverstehen und ich hätte unserer türkischen Bedienerin doch nicht sagen sollen, daß ,Kümmel' ihre Leibspeise ist ... und ich hätte am Gänsehäufel den jungen Badegast, der wie ein Diplomat aussah, nicht ,Bloßfüßig' nennen dürfen ...?"
Ich begann sichtlich zu zittern. Butter und Mut am Frühstückstisch (es war wirklich in unserer Küche und nicht in Amsterdam) schmolzen dahin und ich sah mich schon dementierend vor dem Parlament ("Ich habe wirklich nur auf einen ,J' gewartet :") stehen.
Apropos: Parlament. Ich konnte meinem Freund, einem Heurigenwirt, nur mühsam erklären, daß die Grünen nicht dem "Rauschangriff" den Kampf angesagt haben und daß er sich auch um seinen Weinlieferanten keine Sorgen machen muß, da niemand etwas gegen "Lasterfahnder" hat.
Zum Schluß darf ich noch mein Geheimnis lüften: Nach dem gemütlichen Küchen-, schätze ich am meisten die eleganten Hotel-Frühstücke; allerdings nicht in Amsterdam; angeblich sollen dort Politiker, wie Orangen zu Juice, wenn schon nicht er-, so doch zumindest gepreßt werden.
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