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Ich bin gegen Verkaufskanonen"

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Irgendwo muß es Lehrgänge geben, wo die Verkäuferinnen und Verkäufer das lernen, was mir an ihnen so auf die Nerven geht.

Einmal bin ich einer verkaufenden Dame begegnet, die anders war. Ich sah mich nach einem Wintermantel um. Ich wollte mich eher informieren als wirklich einen Mantel kaufen. Ich probierte einige Mäntel an, und bei einem, den ich eben angezogen hatte, sagte die Dame - gesegnet sei sie! -: „Nein, der ist nichts für Sie."

Da war ich so glücklich und dankbar, daß ich so lange weiterprobierte, bis ich einen passenden Mantel gefunden hatte. Diesen trage ich nun in Freuden und in positivem Gedenken an jene damalige Dame.

Vielleicht war es Berechnung, war es raffiniertes Streben, glaubwürdig zu wirken und mich dadurch zu gewinnen, was sie damals zur negativen Aussage veranlaßt hatte. Wenn ja, dann war sie eine gute Verkäuferin.

Andere sind es aber nicht. Sie sind es um so weniger, als sie sich für gute Verkäufer und Verkäuferinnen halten. Sie überschätzen meine Dummheit, meine Leichtgläubigkeit, meine Passivität.

Ich frage nach einem Pullover mit Rollkragen, weiß oder beige. Der Verkäufer (die Verkäuferin) bringt einige braune, rote und grüne Pullover mit V-Ausschnitt. Und dann höre ich, daß diese jetzt „aktuell" sind, daß sie besonders gern genommen werden. Und wenn ich meinen Wunsch wiederhole, ernte ich überhebliches Mitleid, als hätte ich Gamaschen oder einen Stehkragen verlangt.

Verkäufer und Verkäuferinnen in Drogerien und Parfümerien erzählen mir, daß sie selbst dieses Präparat benutzen und die besten Erfahrungen mit ihm gemacht haben.

Ich glaube ihnen kein Wort. Aber ich fürchte: Ich bin die Ausnahme.

Verkäuferinnen in Schuhgeschäften genießen meine besondere Sympathie, weil sie eine demütigende Haltung zu meinen Füßen einzunehmen gezwungen sind und weil ich es mir mühsam vorstelle, in dem unübersichtlichen, dauernd wechselnden Lager ein bestimmtes Modell in einer bestimmten Größe hervorzusuchen.

'Ich bin Tür das verkaufende Personal eingenommen, aber es verscherzt sich diese meine positive Einstellung immer wieder.

Ich bitte um Schuhe ohne Ornamente. Sie verschwinden und bringen mir dann etliche Paare mit Punkten und Borten und Maschen und Quasten. Ich sage: „Zweiundvierzig oder zweiundvierzigeinhalb." Sie bringen Dreiundvierziger oder Einundvierziger herbei. Und wenn diese Schuhe zu groß oder zu klein sind, tun sie beleidigt oder mitleidig-überheblich. Ich will runde Schuhe, sie bringen spitzige Schuhe. Sie sagen: „Dieser Schuh trägt sich sehr gut." Woher weiß das Mädchen mit Schuhgröße sechsunddreißig, daß dieses Männermodell sich gut trägt? Sind die dankbaren Kunden einige Wochen nach dem Ankauf herbeigeströmt, um ihr zu huldigen?

Alles Rühmende ist öde, durchschaubare Routine.Was mir zustößt, ist aber noch harmlos im Vergleich mit dem, was Damen zustößt, die Kleider, Mäntel, Pullover, Blusen und dergleichen kaufen wollen. Sie probieren Scheußlichkeiten an, die sich als hochgradig unkleidsam erweisen, und müssen Schreie des Entzük-kens über sich ergehen lassen.

Kleine Dicke werden in Quergestreiftes gezwängt und bewundert. Zu lang, zu kurz - das existiert nicht; alles ist so, wie es ist, aktuell, gerade recht, entzük-kend, prima, perfekt, wie angegossen, wie für Sie gemacht, gnä Frau.

Inder Hohen Schule der Verkaufsunarten lernt man gewiß auch, daß man einen Kunden, der etwas ganz Bestimmtes gesucht und gefunden hat, nicht fortlassen darf, ohne ihm noch ganz andere Waren angeboten zu haben. Ich habe einen Gürtel gekauft, eine Jacke wird herbeigebracht. Ich brauche keine Jacke. „Nur einmal hineinschlüpfen, bitte!" Und ich muß Jacken, Mäntel, Regenmäntel, Krawatten, Hemden und Kopfbedeckungen über mich ergehen lassen, alle sind sie so besonders preisgünstig, so aktuell, eben eingetroffen, die neuesten Modelle ...

.. .und weil ich Zahncreme eingekauft habe, werde ich anschließend mit Rasierwasser, Eau de Cologne, Seife, Shampoo und Haarwasser überschwemmt.

Es gibt auch muffige, uninteressierte Verkäufer(innen). Gegen sie bin ich nicht wehrlos. Freundlichkeit und Diensteifer sind Offensivwaffen.

Ich werde in die Position eines unfreundlichen Spielverderbers gedrängt, wenn ich immer wieder „Nein, danke!" sage.

Es ist, als würde ich ein Postamt aufsuchen, um ein Telegramm aufzugeben, und man priese mir Expreßbriefe. Postanweisungen und die eben eingetroffene neue Briefmarken-Kollektion an. Als würde ich am Schalter eine Fahrkarte nach Amstetten lösen und der Schalterbeamte schwärmte mir von einer Reise nach Saalbach oder Seefeld vor.

Die Verstaatlichung hat auch ihre guten Seiten.

Im neuen österreichischen Strafgesetz findet sich der Begriff der Nötigung: „Wer einen anderen mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, Duldung oder UnterTas-sung nötigt, ist ... zu bestrafen."

Was unsere geschulten Verkäuferinnen und Verkäufer tun, ist also im Sinn des Gesetzes leider keine strafbare Handlung. Aber nicht jeder Kunde ist so robust und standfest wie ich.

Gar manche Dame hat gewiß schon einen Laden betreten, um eine weiße Bluse zu kaufen und hat das Lokal mit einer grünen Bluse, einer gelben Hose und einem roten Hut verlassen.

Es sollte Vorrichtungen geben, um gewisse Verkäuferinnen und Verkäufer abzudrehen wie Gas, Wasser und Elektrizität.

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