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Lieber den Rücken demolieren als die Lasten abwerfen

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Sind die lieben Landsleute schlecht „gebettet” oder sind sie nur schlecht gelegen? Unzähligen Österreichern und Österreicherinnen tut das Kreuz weh. Gleich beim Aufstehen - falls man überhaupt gleich aufstehen kann - vergißt kaum jemand auf die gewohnte Liturgie: Jammern und Raunzen, Schimpfen und Fluchen. Da muß man natürlich etwas dagegen tun. Tut man auch: Ein Rheumapulver schlucken - „Kost' eh nix, ma is ja schließlich bei der Krankenkassa!” Ja und etwas zu Einreiben - ein magisches Salbungsritual. Fett und stin-kert - ein altes Natur- und Hausmittel. Und Pyjama und Bettwäsch' des Sünders sind „befleckt”. Ist nicht auch gegen jedes Kreuz a Kräutel g'wachsen? Finige versuchet es auch mit Massagen und Bestrahlungen, aber dafür muß man wohl ein Kurheim mit klösterlicher Abstinenzdisziplin in Kauf nehmen. Das makabre rheumatische Glaubensbekenntnis hat ein Austropopper formuliert: „Mir geht's als wie dem Jesus, mir tut das Kreuz so weh!” Der ORF hat diese Lästerlichkeit seinerzeit natürlich sofort mit Sendeverbot belegt.

Aber was ist, wenn der Rücken aus anderen Gründen weh tut? Man braucht ja nur den „Ver-rück(en)-ten” zuzuhören. Selten sagt jemand stolz: „Das alles ruht auf meinen Schultern” oder „Das macht mir nichts, ich hab einen breiten Rücken.” Nein, eigentlich kriegt man Klagelieder zu hören: A jeder tragt sein Binkerl. Was ich alles auf dem Buckel hab'. Mir sitzt der Chef im Gnack. Für alles muß ich den Ruckel hinhalten. Alles wird auf meinem Rücken ausgetragen.

„Deine Sprache verrät dich” - das wußte schon der Rheumatiker Petrus. Ich habe „Verspannungen” sagen die Leute, in Wirklichkeit sind sie einfach zu stark belastet. „Auf meinem Rücken haben den Pflüger gepflügt” (Psalm 129,3) - sagt die realistische Bibel.

Sehr viel mehr werden die Österreicher auch nicht von den Psychosomatikern erfahren. Aber vielleicht sollten sie endlich ergründen, warum sie eigentlich so eine erotisch-religiöse Bindung zu ihren Lasten haben, daß sie lieber ihren Rücken demolieren als ihre Lasten abzuwerfen.

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