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„...reizet eure Kinder nicht zum Zorn!”
Die Österreicher mögen ihre Propheten und Prediger nicht. Sie hören ihnen zwar gerne zu, aber sie tun nicht, was ihnen ihre „Lehrer” sagen.
So ist es auch im vorigen Jahrhundert dem Wiener Prediger und Satiriker Johann Nestroy ergangen. Die Leute haben herzlich gelacht, wenn er ihnen auf der Bühne gezeigt hat, wie blöd Eltern sein können:
„Die Mutter: Der Bub kann nimmer schaun vor Schlaf und rennt mir bis auf d'Gassen nach.
Hansi: Weil ich mich vor die G'spenster furcht.
Die Mutter: Du sollst schon lang im Bett liegen.
Hansi: Wie ich im Bett lieg', kommen die G'spenster.
Die Mutter: Wennst mir mit'n Fürchten nicht aufhörst, so schick' ich den Schwarzen über dich mit'n großen Sack, da steckt er dich hinein und tragt dich in den Wald hinaus.
Hansi (halb weinend): Uh mein! '
Die Mutter: Begreif nicht, wie der Bub so furchtsam worden ist.”
Und nach der Vorstellung sind die Zuschauer nach Hause gegangen und haben die Kinder weiter sekkiert - und sich dabei womöglich noch auf das Gebot „Du sollst Vater und Mutter ehren ...” berufen.
Nestroy hat allerdings gewußt, daß in der Bibel auch noch etwas anderes steht: „Ihr Eltern reizet eure Kinder nicht zum Zorn, damit sie nicht mutlos werden!”
Und deshalb hat er wohl mehr von Erziehung verstanden als die meisten Lehrer seiner Zeit.
Wie heißt es doch bei Johann Nestroy einmal:„Ich hab' zu viel Erwachsene kennengelernt, die der Nachsicht bedürfen, als daß ich je mehr gegen die Kinder streng sein könnt'. Ist das nicht schon Unrecht genug, daß man sie für glücklich halt't? Und sie sind es so wenig wie wir. Sie haben in ihren Kinderseelen alle Affekte: eine Sehnsucht, die sie mit Täuschungen, eine Eitelkeit, die sie mit Kränkungen, eine Phantasie, die sie mit Wauwaubildern quält, und dabei haben sie nicht die Stütze der Vernunft, die uns wenigstens zu Gebot steht, wenn wir sie auch nicht gebrauchen. Wir finden ihre Leiden klein, ohne zu bedenken, wie kleinlich wir oft in unserem Leiden sind.”
Ja - in diesen Tagen hat die Schule wieder begonnen.
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