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Digital In Arbeit

Aus einem Fastentagekudi

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Aschermittwoch. Ich habe heute meinen hochwürdigen Beichtvater wechseln müssen. Als ich nach einer längeren Beichte ihm einen Zettel mit meinen Vorsätzen für die Fastenzeit überreichen wollte, zur Einsichtnahme, da wies er ihn zurück und sagte; „Sie sehen doch, daß draußen noch eine Menge Leute wartet, machen Sie das mit Gott ab.” — Die Vorfall hat meine Sammlung sehr beeinträchtigt, um so mehr, als die Bedienerin zuspätkam und dadurch die ganze Tagesordnung gestört wurde. Sie sagte, ihr Kind sei krank. Ich halte das für eine Ausrede. Ich muß sie übrigens einmal fragen, ob sie überhaupt verheiratet ist. Heutzutage ist ja alles möglich.

2. 3. Hab’ ich’s mir doch gedacht! Oh, ich habe ein feines Gespür für das Bösel Sie ist nur standesamtlich verheiratet. Ich habe ihr gesagt, daß Gott sicher als Strafe dafür ihr Kind krank hat werden lassen. Es ist nämlich wirklich schwer krank. Sie hat sehr geweint, und ich habe nachher Gott gedankt, daß ich eine Seele so heilsam erschüttern durfte. Abends habe ich eine herrliche Predigt über die vierte Kreuzwegstation gehört. Wirklich, was muß doch die Gottesmutter mitgemacht haben, als sie ihr Kind so leiden sah. Und das Unverständnis der Menschen rundum…!

18. 3. Heute habe ich meine Bedienerin wieder auf ihr sündhaftes Leben hingewiesen. Am Abend kam ihr Lebensgefährte. Er war sehr zornig und sagte, ich solle seiner Frau (!) das Leben nicht ‘noch schwerer machen, ich solle iMČ’flfcesbePitin paar Tage freigfcben; das Kind habe inf Spital müssen und sie komme’ mit der Arbeit und den Besuchen nicht zurecht und könne nachts vor Sorgen nicht schlafen. Ich erwiderte, daß immer zuerst die Pflicht käme, und daß ich auf das Privatleben meiner Bedienerin keine Rücksicht nehmen könne. Darauf wurde er sehr ausfällig und sagte, dann solle ich mich auch nicht um ihre Ehe kümmern. Er gebrauchte dann einige unschöne Worte und ging. Ich faßte mich aber bald und opferte diese Beleidigungen für mein Wachstum im geistlichen Leben auf. Oh, wie süß ist es, unverdiente Vorwürfe geduldig zu ertragen!

24. 3. Dem Kind meiner Bedienerin muß es schlecht gehen, sie hat oft verweinte Augen. Wie es doch manchen Menschen so gar nichts ausmacht, von Gott entfernt zu leben, während es ihnen größten Schmerz bereitet, von einem Geschöpf getrennt zu werden. Aber ich spreche mit ihr nur das Notwendigste. Ich könnte ihr ja schließlich nichts anderes sagen, als ich schon gesagt habe. Es war damals für sie eine Gnadenstunde. Es ist ihre Sache, wenn sie diese nicht benützte.

27. 3. Heute war meine Bedienerin ganz glücklich. Dem Kind geht es besser. Ich sagte ihr aber, daß Gott einem Menschen oft zeitliches Wohlergehen schenke, weil er in seiner Gerechtigkeit die geringen guten Werke der Sünder schon auf dieser Erde belohnt. Freilich müßten sie dann der ewigen Strafe gewärtig sein. Sie verstand das nicht gleich, sie ist ja religiös erschreckend ungebildet. Dann aber meinte sie frech: Daß Sie da keine Angst haben! Ihnen geht’s ja wirklich nicht schlecht! — Ich habe dieser Person natürlich sofort gekündigt. Und das Ostergeschenk, das ich ihr zugedacht hatte, bekommt sie auch nicht. — Heute hörte ich eine herrliche Predigt über die Worte des Herrn: Vater, verzeih ihnen, sie wissen nicht, was sie tun. Ich War so erschüttert, daß ich nachher Gott bat, er möge meiner ehemaligen Bedienerin ihre frechen Worte nicht als Sünde anrechnen.

29. 3. Es gibt keine Liebe mehr in der Welt. Alle Verwandten und Bekannten, die ich bat, sie möchten mich bei sich aufnehmen, bis ich eine neue Bedienerin hätte, wiesen mich unter fadenscheinigen Ausflüchten ab. Dabei bete ich jeden Tag für diese Menschen. Aber so kann ich das Schicksal des Herrn miterleben, der auch von seinem Volke verstoßen wurde. Oh, du mein Volk, was tat ich dir,. .? Das kann ich jetzt auch sagen.

1. 4. Wie geldgierig die Menschen sind! Es haben sich ein paar Bedienerinnen gemeldet, aber alle stellen höhere Ansprüche als die letzte und wiesen auf die Feiertagsarbeit hin. Ich habe als weiteres Fastenopfer mich dazu entschlossen, eine öffentliche Sünderin in meiner Nähe zu dulden, wie unser Herr die heilige Maria Magdalena, und meiner ehemaligen Bedienerin zu schreiben, sie dürfe zurückkommen. Wie schön, wenn sie durch den Umgang mit mir zu Buße und Umkehr gelangen würde!

3. 4. Es ist unglaublich: Sie lehnt ab! Und sagt, ein Priester habe ihr abgeraten. Sie hat ihn im Krankenhaus kennengelernt, wie er gerade mit ihrem Kind spielte. Daß doch mancher Priester so gar keinen Sinn für Würde und Anstand hat. Und er wolle sie und ihren Mann sogar besuchen! Als ich nach seinem Namen fragte (um ihn über das sündige Verhältnis der beiden aufzuklären), glaubte ich, der Himmelstürze ein! Es ist mein ehemaliger Beichtvaterl Mit solchen Leuten gibt er sich ab, und für mich hat er keine Zeit gehabt! Kein Wunder, wenn der Unglaube überhandnimmt.

10. 4. Ich traute heute meinen Augen nicht: Die Bedienerin und ihr Mann waren in der Kirche! Ich beobachtete sie scharf, ob sie etwa zur heiligen Kommunion gingen. Ich hätte es augenblicklich dem hochwürdigsten Herrn Bischof geschrieben. Aber sie taten das doch nicht. Ich bemerkte auch, daß sie nachher in die Sakristei gingen. Als sie wieder herauskamen, sah mich der Mann, ging frech auf mich zu und sagte (in der Kirche!!!): Sehen Sie, der Pfarrer, der gefällt mir, der hat wenigstens ein Herz. Und er zeigte mir höhnisch ein Paket, in dem offenbar Eßwaren enthalten waren. Ich war jedenfalls höchst befremdet über diese Seelsorgermethode, die Bekehrung eines Sünders zu erkaufen, statt zu eropfern und erbeten. — Abends hörte ich eine herrliche Predigt über die Scheinchristen. Ich dachte unwillkürlich an meine Bedienerin, ihren „Mann” und auch an meinen ehemaligen Beichtvater und betete für sie, daß sie den rechten Weg finden möchten. Und ich dankte Gott in wahrer Osterfreude, daß ich den wahren Weg schon längst gefunden und niemals verlassen habe.

Anmerkung des Herausgebers: Erstens, so was gibt’s wirklich, und zweitens, wundern wir uns, daß nicht einmal dem Herrn die Bekehrung der Pharisäer gelang?

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