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Brautkleider als Meßgewänder

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Der Zug zum Erhöhten, ja Überhöhten, zum Prächtigen und Gewaltigen kennzeichnet das Braockzeitalter. Besonders kostbare Kleider dienten der Geltungssteigerung des eigenen Ichs, im sakralen Bereich wirken die überaus prunkvollen Ornate wie eine Huldigung an den Weltenherrscher. Eine von Dora Heinz erarbeitete Ausstellung des österreichischen Museums für angewandte Kunst führte zunächst in dem reizenden niederösterreichischen Schloß Gobelsburg in Langenlois, das dem Stift Zwettl gehört, und jetzt am Stubenring unter dem Titel „Meisterwerke barocker Textilkunst“ ausschließlich Meßgewänder aus dem Besitz des Museums und aus nieder- und oberösterreichischen Kirchen und Klöstern vor, deren Großartigkeit wohl kaum übertroffen werden kann.

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Der Zug zum Erhöhten, ja Überhöhten, zum Prächtigen und Gewaltigen kennzeichnet das Braockzeitalter. Besonders kostbare Kleider dienten der Geltungssteigerung des eigenen Ichs, im sakralen Bereich wirken die überaus prunkvollen Ornate wie eine Huldigung an den Weltenherrscher. Eine von Dora Heinz erarbeitete Ausstellung des österreichischen Museums für angewandte Kunst führte zunächst in dem reizenden niederösterreichischen Schloß Gobelsburg in Langenlois, das dem Stift Zwettl gehört, und jetzt am Stubenring unter dem Titel „Meisterwerke barocker Textilkunst“ ausschließlich Meßgewänder aus dem Besitz des Museums und aus nieder- und oberösterreichischen Kirchen und Klöstern vor, deren Großartigkeit wohl kaum übertroffen werden kann.

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Profane Kleider aus jener Zeit sind weniger erhalten, man hat sie oftmals, wenn sich die Mode änderte, verbrannt um Hip TCdPimptalle die in ihnen waren, rückzugewinnen. Diese Metalle hatten meist ein nicht geringes Gewicht, nach ihnen, nicht nach der Arbeit wurde der Preis der

Gewänder festgelegt. So sieht man, daß auf dem Weihnachtsornat, den eine Passauer Äbtissin und sechs Klosterfrauen im siebzehnten Jahrhundert für Kremsmünster geschaffen haben, auf weißem Atlas dicht ineinandergreifende Goldstickereien reliefartig eineinhalb bis zwei Zentimeter vorragen. Da wird ein Chaos präziser und zugleich quirlend lebendiger Formen, stilisierte Blüten, Blätter, Palmetten ornamental gebändigt dargeboten. Dieser außerordentlich schwere Ornat wird heute noch verwendet.

Schon auf einer Kasel vom Ende des siebzehnten Jahrhunderts gibt es in Gold- und bunter Seidenstickerei großflächig naturalistische, locker verteilte Blumendarstellungen, Sonnenblumen, blaue Iris, Mohn, Kornblumen. Dies wirkt fast noch eindrucksvoller als die Blumenmalerei jener Zeit. Das Naturalistische in Form und Farbe ist aber gegenüber der Malerei verfremdet, dadurch, daß das Material, die Nadelarbeit, das Gefüge der Fäden, erkennbar wird. Auf der Kasel eines naturalistischen Rosenornats aus der Zeit um 1700 zählt man vierzig großblütige Rosen, dazu noch Knospen, die sich aus dem Laubwerk herausheben, es ist, als habe sie eine Nonne aus dem Klostergarten zusammengetragen. An diesem Ornat wurde vermutlich fünfundzwanzig Jahre gearbeitet, er soll von den Schwestern des Wiener Ursulinenklosters während der Türkenbelagerung 1683 begonnen worden sein.

Die naturnahe Wiedergabe einzelner Rosen zeigt sich auch während des Rokoko, etwa auf dem mit Edelsteinen besetzten, vermutlich aus Frankreich stammenden Nancy-Ornat der Wiener Salesianerinnen. In der Mitte des Antepediums gibt es in Gold- und Chenillestickerei auf Silbergrund ein Strahlen in Kreuzform, in dessen Mitte sich ein Rundmedaillon befindet, das ein fast verschlüsselt wirkendes IHS als das wirkende Geheimnisvolle umschließt. Große Buketts aus bunten Blumen sieht man auf einer Kasel, die Wilhelmine Amalie, die Witwe des jung verstorbenen Kaisers Joseph I., im Jahre 1728 Heinrich von Hohenfeld zur Primiz schenkte. Durch ihn, den Letzten seiner Familie, der später Abt wurde, gelangte Schloß Gobels-burg in den Besitz des Stiftes Zwettl.

Auch örtliche Ereignisse konnten zu optischen Reminiszenzen auf diesen Gewändern werden. Im Jahre 1688 verursachte ein katastrophaler Hagelschiag im Gebiet von Linz bis zur March riesigen Schaden. Etwa ein Jahrzehnt später entstand der Litschauer Ornat, dessen Pluviale dieses Vorkommnis reizvoll dekorativ darstellt. Da gibt es einen mächtigen Phantasiebaum mit Blüten und Früchten, eine winzige Sonne scheint, es hagelt und der Turm eines Kirchleins, viel kleiner als ein Blütenblatt, stürzt ein. Im Raffinement des Rot, Silber und Gelbgrün vor dem hellen, beinahe strahlenden Blau des Hintergrunds wird Poesie spürbar. Da sich das Motiv mehrfach wiederholt, war der Stoff vermutlich ursprünglich für eine Wanddekoration bestimmt.

Auf einer Trauerkasel, vor 1630, sieht man einen gespenstig-klapprigen Knochenmann mit Sense, der triumphierend auf den Symbolen der Macht, des Krieges und auch des geistigen Lebens — Bücher, Musikinstrumente — steht. Die Bordüre zeigt Totenköpfe — aus einem züngeln Schlangen — und gekreuzte Knochen. Der Tod, die Vergänglichkeit des Irdischen wird in aller Schaurigkeit bewußt gemacht. Diese Kasel, die dem Stift Kremsmünster gehört, verwendeten die Mönche für den Trauergottesdienst am Todestag des Herzogs Tassilo, der 777 dieses Stift gegründet hat. Aus einem etwa 1710 entstandenen Trauerornat des Stiftes Zwettl stammt eine Kasel aus schwarzem Samt und einem schwarz-grundigen Goldbrokat mit dicht ineinandergreifendem floralem Muster von ernst-feierlicher Wirkung.

Die Arbeiten wurden sowohl in den Klöstern wie auch von bürgerlichen Berufsstickern, so im achtzehnten Jahrhundert etwa in Wien von Johann Jacob Ellmansperger, ausgeführt. Auch kennt man einen Vertrag „Zwischen P. Priorem zun Schotten in Wienn, und Frauen Mariam, Susannam Lindtnerin“, einen Ornat nach vorgegebenem Muster zu sticken. Dabei ist grundsätzlich zu sagen, daß es einen generellen Gegensatz zwischen Stoffen profaner und kirchlicher Verwendung nicht gab. So ließ Kaiserin Maria Theresia aus dem Schlafrock ihres verstorbenen Gemahls Franz Stephan eine Kasel anfertigen, die sie für die Kapelle der Innsbrucker Burg stiftete.

In der Ausstellung sieht man die Kasel eines Ornats, der aus Brautkleidern zweier Erzherzoginnen hergestellt wurde. Das eine schenkte die Erzherzogin Maria Josepha 1720 nach ihrer Hochzeit mit dem Kurfürsten von Sachsen, das andere Erzherzogin Amalie 1723 nach der Hochzeit mit dem Kurfürsten von Bayern dem Kloster der Salesianerinnen, wo ihre Mutter Wilhelmine ihren Witwensitz hatte. Daraus wurde ein Weihnachtsornat hergestellt. Der Propst von St. Dorothea in Wien erstand „zwei manteau und zwei Unterrock“ zur Anfertigung eines Ornats von Ihro hochfürstlichen Gnaden Fürstin Antonie von Liechtenstein, die sie wegen ihres Gewichts nicht tragen wollte. Hier zu sehen ist eine Kasel von subtiler Vornehmheit mit Seitenteilen aus Silberbrokat, die um 1715 aus einem Damenunterrock entstand. Für ein Pluviale mit Sträußchen aus bunten Blumen in Chenüle und Seide diente ein Kleid der reizenden Isabella von Parma, der jung verstorbenen, seltsam todessüchtigen ersten Gemahlin von Josephe II. Beim Besuch dieser Ausstellung mag einem in der in sich gefestigten Schönheit, im Prunk der kirchlichen Gewänder so recht der Unterschied zu unserer verwirrten Gegenwart be.

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