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Barluzzis neue Olberg-Kirche

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Die Lazaruskirche in Bethanien auf dem Oelberg, das neue Werk des großen Franziskanerarchitekten Barluzzi, ist im Rohbau fertiggestellt. Die reiche Innendekoration, Mosaiken, Bronzen, farbiger Marmor und der Mosaikschmuck der Fassaden fehlen noch, aber der Schrein steht hoch und weiß inmitten der kleinen Häuser des Dorfes im Paß zum Toten Meer; sein schlanker Campanile überragt die Trümmer des Klosters der Kreuzfahrerkönigin Melisendis.

Professor Barluzzi, Erbauer der berühmten Pilgerkirchen auf dem Tabor, von Gethsemane und Ain Karim, hat diesmal die Form der byzantinischen Kreuzkuppelkirche frei abgewandelt. Die Fronten sind ungewöhnlich hochgezogen und wirken mit ihren Dreiecksgiebeln klassizistisch. Die Kuppel, ohne Tambour und Laterne, weit offen im Zentrum, hat die eigenartige „Lampen-schirm'-Gestalt der alten Kuppel über dem Heiligen Grab. Der Glockenturm, in den Südostwinkel der gerade abgeschlossenen Kreuzarme gestellt, ist völlig italienisch. Barluzzi, der in seinem sensationellen Entwurf zur Neugestaltung der Grabeskirche historische Stile frei abzuwandeln begann, ist hier noch einen Schritt weiter gegangen.

Barluzzis Hauptwerk, die monumentale Gethsemane-Basilika, ist,nun, nach fast 30 Jahren, vollendet. Das gewaltige Ap-sismosaik Pietro d'Achiardis, dessen Lebenswerk die Mosaiken der Gethsemanekirche waren, ist jüngst enthüllt worden. D'Achiardi, der große Neo-Byzantiner, hat diesen Tag nicht mehr erlebt. Der Entwurf transponiert den Stil Giottos in jene Mosaikkunst zurück, von der Giotto seine entscheidenden Anregungen gewann. Im Zentrum des Mosaiks, das sich über dem Fels der Agonie wölbt, ruht der Erlöser auf dem im Terrassenbruch der Giotto-Schule gehaltenen Felsen. Er ist nicht in Verzweiflung dargestellt. Er ruht in tiefster Ermüdung der Ergebung, deren inneres Wachsein im Gegensatz zu den Aposteln steht, die hinter den flankierenden Oel-bäumen schlafen. In diesem letzten Werke hat d'Achiardi jene stille Größe erreicht, um die er ein Leben lang gerungen hat.

Die Krypta der sechsten Station der Via Dolorosa, der Melchitischen (grie-chisch-uniierten) Kirche der Veronika, ist nach einem Entwurf Barluzzis renoviert worden. Die Krypta ist ein Kreuzfahrerbau, der über den Resten vorrömischer Häuser steht. Ueber ihr erhebt sich die neo-gotische Kirche der Melchiten. Barluzzi hat die Krypta von allem späteren Schmuck befreit, den Eindruck völlig auf die Wucht der alten Gewölbe gestellt und die schlichte Ein- ' richtung zwei Künstlerinnen der „Arte Sacra“ in Paris, Marie Odile Loupias und Jeanne Bi-daud, übertragen. Der Gesamteindruck ist glücklicher als jener der Geißelungskapelle, wo von einem Kreuzfahrerbau nur die Schale übriggeblieben ist.

Diese Neubauten, Restaurierungen, Meisterwerke fügen sich glücklich der stolzen Reihe weitreichender Projekte ein, die von den Franziskanern, aller Ungunst der Verhältnisse zum Trotz, in den letzten Jahrzehnten verwirklicht werden konnten. Es ist den Franziskanern und ihren Freunden, vor allem in Lateinamerika, zu danken, wenn die Kirchenkunst im Heiligen Lande lebendig geblieben ist. Man könnte sich dieser regen Bautätigkeit, die immer wieder Neues hervorbringt, das des ehrwürdigen Aken würdig ist, vom Herzen erfreuen, wenn die weiße Pracht dieser Kirchen, das Gold der Mosaiken, das Leuchten der Glasgemälde sich nicht von dem düsteren Schleier des zutiefst deprimierenden Elends abheben würden, der nun seit Jahren über dem Heiligen Lande liegt ...

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