Plakat Frauenrechte - © Foto: Pixabay

„Frauen werden in Unsicherheit gehalten“: Debatte zum Frauentag

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Der 8. März rückt jedes Jahr die Frauenpolitik in den Mittelpunkt. Was noch getan werden muss, diskutieren die Soziologin Laura Wiesböck und die Unternehmerin Doris Wirth.

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Der 8. März rückt jedes Jahr die Frauenpolitik in den Mittelpunkt. Was noch getan werden muss, diskutieren die Soziologin Laura Wiesböck und die Unternehmerin Doris Wirth.

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Tut die Politik genug für die Rechte der Frauen? Wie sieht es in Sachen Gleichberechtigung bei der Familienpolitik aus? Und wie durchbricht man traditionelle Rollenbilder? Die Soziologin Laura Wiesböck und die Unternehmerin Doris Wirth – auch Vizepräsidentin des Katholischen Familienverbands Österreichs – im Gespräch.

DIE FURCHE: Am 25. Februar war Equal Pay Day. Erst ab diesem Tag bekommen Frauen in Österreich für ihre Arbeit gleichviel bezahlt wie ihre männlichen Kollegen. Warum arbeiten Frauen für weniger Geld?
Laura Wiesböck: In patriarchalen Gesellschaften wie unserer werden gesellschaftliche Bereiche und Verhaltensweisen abgewertet, die mit Weiblichkeit assoziiert werden. Das betrifft auch Hausarbeiten, Erziehung, Pflege und Sorgetätigkeiten. Diese Arbeit wird weiterhin kaum anerkannt, obwohl sie die Grundvoraussetzung für unser Zusammenleben ist, die Basis für den Erhalt unserer Gesellschaft. Die Bindung von Familie und Gemeinschaft zählen immer noch überwiegend zu Aufgaben des Lebens von Frauen statt zu Aufgaben des Lebens allgemein.

Profitieren tun davon alle, außer Frauen selbst. Sie führen diese Tätigkeiten nämlich unbezahlt aus und tragen damit höhere soziale Risiken wie Armutsgefährdung und geringe Pensionsansprüche. Ein anderes Feld ist die Unterbezahlung bei gleicher Qualifizierung. Wir wissen, dass Frauen für gleiche Tätigkeiten schlechter bezahlt werden als Männer. Es ist also nicht so, dass Frauen ‚weniger verdienen‘ würden, sie bekommen schlicht weniger bezahlt. In Island zum Beispiel ist Gehaltsdiskriminierung verboten. Die Bringschuld liegt bei den Unternehmen. Das könnte man auch in Österreich einführen. Bisher fehlt dafür der politische Wille.

Doris Wirth: Frauen können aufgrund von Schwangerschaft und Geburt ausfallen, daher vergeben Arbeitgeber bessere Positionen lieber an Männer. Das ist immer noch der Hauptgrund für die gläserne Decke, an die Frauen im Hinblick auf Karriere schmerzhaft stoßen. Daher wäre es wichtig, hier die Männer in die Pflicht zu nehmen. In meinem Unternehmen ermutigen wir werdende Väter, den Papamonat zu nehmen und später auch in Karenz zu gehen. Die Wirtschaft muss hier insgesamt bessere Signale senden.

Zum anderen wählen Frauen eher jene Berufe, die im Vergleich schlechter entlohnt sind. Es gibt Initiativen, Frauen und Mädchen verstärkt für technische Berufe zu interessieren, denn ein höherer Anteil von Frauen in technischen Berufen würde helfen, die Lohnschere etwas zu schließen. Wenn aber viele Mädchen nun einmal gerne das Frisieren, die Krankenpflege, das Unterrichten oder die Büroleitung erlernen wollen, sollte man vielleicht einmal die Kollektivverträge der traditionell weiblichen Berufe überarbeiten.

DIE FURCHE: Inwiefern müsste sich die Familienpolitik ändern, damit die Lohnschere nicht so weit auseinandergeht?
Wiesböck: Die Zahl der männlichen Kindergeldbezieher ist von 4,2 Prozent 2016 auf 3,8 Prozent 2017 gesunken. Wenn die Ausfallwahrscheinlichkeit beim Kinderkriegen zwischen den Geschlechtern gleich verteilt wäre, würde zumindest ein Aspekt der Diskriminierung am Arbeitsplatz verringert werden. Allgemein muss man aber sagen, dass wir uns in Österreich in einem konservativ-­korporatistischen Wohlfahrtstaat befinden. Das bedeutet, die Ansprüche auf Sozialleistungen sind stark an den Erwerbsstatus gekoppelt. In den USA, Kanada und Großbritannien befinden wir uns hingegen in einem liberalen Wohlfahrtsstaat. Hier gibt es kaum sozialrechtliche Ansprüche. Dort wird man ermuntert, privat vorzusorgen. Der Ausfall der Mutter aus dem Erwerbsleben ist ökonomisch kaum leistbar. In skandinavischen Ländern herrscht der sozialdemokratische Wohlfahrtsstaat vor. Hier wird das universalistische Prinzip verfolgt, das heißt, die Anspruchsgrundlage bildet nicht der Erwerbsstatus, sondern sie gründet auf sozialen Bürgerrechten. Alleinerziehende scheinen dort zum Beispiel kaum in der Armutsstatistik auf. In Österreich gehören sie zu der von Armut am stärksten betroffenen Gruppe. Diese Koppelung des wohlfahrtsstaatlichen Anspruchs an den Arbeitsmarkt ist also ein Punkt in Österreich.

Ein anderes Thema sind die in Österreich auffallend stark vorherrschenden traditionellen Rollenbilder. Mehr als die Hälfte der Österreicher und Österreicherinnen stimmen der Aussage zu, dass ein Vorschulkind leidet, wenn die Mutter berufstätig ist. Es gibt viele Beschämungspraktiken für Frauen, die einem Job nachgehen. Sie werden etwa als Karrierefrau oder Rabenmutter bezeichnet. So etwas gibt es bei Vätern, die einer Erwerbsarbeit nachgehen, nicht. Das kommt nicht von irgendwo her: Bis zum Jahr 1975 brauchten Frauen die Zustimmung ihrer Ehepartner, wenn sie ihr eigenes Geld verdienen wollten. Traditionelle Rollenbilder sind hierzulande immer noch sehr schwierig aufzubrechen. Das hat eine verstärkte ökonomische Abhängigkeit von Frauen zur Folge.

Wirth: Es geht um die Entscheidungsfreiheit: Frauen, die ein konservatives Rollenbild leben möchten, und Männer, die sich für eine Karenz entscheiden, sollten mehr gesellschaftliche Wertschätzung erfahren. Wir als Katholischer Familienverband führen seit einigen Jahren die Kampagne „Vater sein – verpasse nicht die Rolle deines Lebens!“ und unterstützen Väter, ihre Rolle aktiv und präsent zu gestalten.

Ein neuer Schwerpunkt ist: „Führen in Teilzeit“. Einige österreichische Unternehmen wählen für Führungspositionen sogenannte „Teilzeit­Tandems“ aus. Eine Führungskraft arbeitet oft 50 bis 60 Stunden pro Woche. Wird die Stelle von zwei Personen mit je 30 Stunden ausgefüllt, so bringt das für Mitarbeiter und Unternehmen unschätzbare Vorteile. Studien in Skandinavien belegen eine höhere Betriebsleistung bei gesteigerter Qualität und höherer Mitarbeiterzufriedenheit. Männer und Frauen können ihrem Beruf nachgehen, ihre Karriere verfolgen und trotzdem Familienzeit genießen. Das Modell „Führen in Teilzeit“ richtet sich an Männer und Frauen, denn Familiengründung darf nicht gleichbedeutend mit Karriereverzicht sein.

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