Ostern feiern
DISKURSKarfreitag und Ostern mit Dietrich Bonhoeffer: „… daß Leiden und Gott kein Widerspruch ist …“
Vor 75 Jahren wurde Dietrich Bonhoeffer ermordet. Für den evangelischen Theologen und Widerstandskämpfer weist der biblisch begründete Glaube den Menschen an den leidenden Gott. Deswegen brachte Christus keine Religion, sondern Gott und das Leben.
Vor 75 Jahren wurde Dietrich Bonhoeffer ermordet. Für den evangelischen Theologen und Widerstandskämpfer weist der biblisch begründete Glaube den Menschen an den leidenden Gott. Deswegen brachte Christus keine Religion, sondern Gott und das Leben.
Den Sonntag nach Ostern, 8. April 1945, begann eine kleine Gruppe von Häftlingen, die auf ihrem Transport vom KZ Buchenwald in der Schule von Schönberg im Bayerischen Wald einquartiert waren, mit einer Morgenandacht. Einer der Häftlinge war Dietrich Bonhoeffer. Ihn hatten die Mitgefangenen gebeten, die Andacht zu leiten. Wie er es gewohnt war, griff er zu den Herrnhuter Losungen, die für diesen Tag, den Sonntag Quasimodogeniti, einen Vers aus dem Propheten Jesaja anführten: „Durch seine Wunden sind wir geheilt“ (Jes 53,5). Bonhoeffer legte den Bibelvers aus. Der ganze Abschnitt ist – bis heute – in den evangelischen Kirchen als Lesung für den Karfreitag vorgesehen.
Das stellvertretende Leiden des Gottesknechts wurde in der christlichen Auslegung weithin – auch von Bonhoeffer selbst – auf das Kreuz Jesu Christi bezogen. Bonhoeffer hat sich offenkundig intensiv mit dieser Bibelstelle auseinandergesetzt. In seiner Lutherbibel finden sich mehrere Bleistiftmarkierungen an der Stelle. Aus dem Gefängnis schrieb er am 18. Juli 1944: Nicht der religiöse Akt macht den Christen, sondern das Teilnehmen am Leiden Gottes im weltlichen Leben. So war auch der Glaube für ihn kein religiöser Akt, sondern ein Hineingerissenwerden in das Leiden Gottes in Jesus Christus. Ob er in diesem Sinn den Vers des Jesaja in der Morgenandacht in Schönberg ausgelegt hat? Sicher ist nur, dass ihm selbst am selben Tag Leiden und Tod auferlegt wurden.
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