75 Jahre DIE FURCHE
DISKURSFriedrich Funder: Fünf Jahre „Österreichische Furche“
„Die Stimme unseres Wollens sollte die FURCHE werden.“ Der FURCHE-Gründer Friedrich Funder über die Anfänge der Zeitung.
„Die Stimme unseres Wollens sollte die FURCHE werden.“ Der FURCHE-Gründer Friedrich Funder über die Anfänge der Zeitung.
Ein altes Haus in einer stillen Gasse der Inneren Stadt war in den letzten Apriltagen des Jahres 1945 der Treffpunkt einer kleinen bunten Gesellschaft: Akademiker verschiedener Berufe, meist junge Leute, die irgendwie an der Front waren, Widerstandskämpfer, Befreite aus Gefängnissen... der Gestapo, der eine oder andere war knapp ihrem Blutgericht entgangen.
Die wenigsten von uns hatten einander früher gekannt. Alle beseelte derselbe Wille, jetzt alles an das große Ziel zu setzen, nach der Demütigung und dem Auslöschen Österreichs: die Wiederherstellung des Vaterlandes und der Freiheit. Uns brannte das Herz in der Brust. Die Ruinen um uns entmutigten uns nicht. Die Armut des verwüsteten und ausgeplünderten Landes schreckte uns nicht, vor den fremden Soldaten fürchteten wir uns nicht. Denn unser Österreich würde wieder erstehen, auf unseren Händen emporgehoben zu einem neuen Tag. Jawohl, zu einem neuen Tag, in dem es keine Totalität, keine Tyrannen, keine Götzen mehr geben wird, der Mensch wieder ein freies Wort wagen darf, die christliche Gemeinde der Katakombe entstiegen ist, die menschliche Würde, das Recht, die soziale Gemeinschaft, die Kulturgüter der Heimat wiederhergestellt sind.
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Jetzt wird es Aufgabe sein, den inneren Frieden herzustellen, der nachfolgenden Generation über das furchtbare Erlebnis hinweg den Zusammenhang mit dem Vaterland, den Sinn seines Bestandes und seiner Geschichte und seiner Mission zu weisen und das Geheimnis seiner Kraft, Schlüssel europäischen Schicksals zu sein.
Die Stimme unseres Wollens sollte die FURCHE werden. [....] Wir wollten mithelfen, die soziale Ordnung der Gesellschaft von innen heraus zu erneuern, und wir wollten in den Tumult dieser von Vorurteilen, Eigensüchten, Parteiung und Haß zerfleischten Menschheit durch das tausendstimmige gedruckte Wort die christliche Liebe […] und den Respekt vor der redlichen Überzeugung des anderen tragen. [...] Was wir in unserem Plänen um die FURCHE formulierten, das waren Erkenntnisse, gefaßt in schlaflosen Nächten der Haft, auf einsamer Wache, in den Steinbrüchen der SS; in denen wir fronten in nahem Zusammensein mit Sozialisten verschiedener Schattierungen, die unser Schicksal teilten, aber auch die Enge des abgründigen Spaltes wahrnehmen ließen, die oft die Menschen trennte, nicht selten nur, weil sie sich gegenseitig nicht gekannt hatten. So entstand die FURCHE.
Nun ist es fünf Jahre her. Manches ist seitdem in unserem Lande gereift, manches ist fortdauernder Ertrag geblieben. Denn viele Hunderttausende empfanden und dachten wie wir. Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat hat sich nach dem Ende der Hitlerherrschaft wesentlich geändert. [...] Im öffentlichen Leben hat sich zwischen den großen Staatsparteien eine Arbeitsgemeinschaft ergeben, die […] seit dem Bestande des allgemeinen Wahlrechts nicht denkbar gewesen wäre, weil bei der kämpferischen Verkrampfung der politischen Fronten dafür die psychologischen Voraussetzungen fehlten; diese Arbeitskoalition war in ihrem Anfängen eine europäische Sehenswürdigkeit und vielleicht das unsterbliche österreichische Wunder, das sich immer in Zeiten höchster Not einstellt [...]
Da und dort konnte die FURCHE zum Guten in der Entfaltung des öffentlichen Lebens, zu Versöhnlichkeit, besserem Verstehen, innerem Frieden [...] beitragen […]. Das andere werden die Nachkommenden mit Gottes Hilfe besorgen [...]. Ich vertraue darauf, diese tapfere Jugend wird es tun im Geiste ihrer Väter und denken und sprechen wie Chesterton in seinem „Abenteuer des Glaubens“: „Die Welt ist nicht eine Mietskaserne in einem Elendsviertel, aus der wir ausziehen möchten, weil sie armselig ist. Sie ist die Burg unserer Väter mit wehenden Fahnen am Turm, und je schlimmer es um sie steht, desto weniger sollten wir sie verlassen. Es steht hier nicht die Frage, ob die Welt zu traurig ist, um geliebt zu werden, oder zu heiter, um nicht geliebt zu werden, sondern es geht um folgendes: Wenn man eine Sache wirklich liebt, so ist ihre heitere Seite ein Grund, sie zu lieben, und ihre traurige Seite ein Grund, sie noch mehr zu lieben.“
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