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Brief #48: In diesen Momenten spüre ich mein Älterwerden

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In der Kolumne "Erklär mir deine Welt" kommen Hubert Gaisbauer und Johanna Hirzberger miteinander ins Gespräch. Diese Woche geht es ums Älterwerden.

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In der Kolumne "Erklär mir deine Welt" kommen Hubert Gaisbauer und Johanna Hirzberger miteinander ins Gespräch. Diese Woche geht es ums Älterwerden.

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Lieber Herr Gaisbauer!

Schon wieder fällt es mir schwer, auf Ihren Brief zu antworten. Schon seit meiner Kindheit und Jugend bereitet mir die Vorstellung Sorgen, irgendwann vielleicht auch wieder in einem Land zu leben, das totalitär werden könnte. Dass mir diese Gedanken bereits früh durch den Kopf gingen, liegt daran, dass ich mit meinem Opa schon im Kindergartenalter über die Weltkriege gesprochen habe. Natürlich in altersgerechter Form. Die Narbe auf seinem Bauch war für mich wie ein Mahnmal. Sie fragen mich, was wir gegen das Gespenst einer drohenden illiberalen Demokratie tun können. Vor ein paar Jahren hätte ich Ihnen wahrscheinlich laut und engagiert geantwortet und an unsere menschliche Solidarität appelliert.

Ich fühle mich abgestumpft

Und heute? Sie erreichen mich auf meinem Arbeitsweg in der U6. Während ich Ihren Brief lese, blicke ich immer wieder aus dem Fenster und hoffe auf einen Geistesblitz. Er bleibt aus. In Momenten wie diesen spüre ich mein Älterwerden. Ich fühle mich abgestumpft und beginne, an mir zu zweifeln. Vielleicht sollten Sie mich gegen eine jüngere Version von mir austauschen. Aber Zeitreisen gibt es ja noch nicht. Ich atme tief ein und gehe in mich, denn ich kann Sie ja nicht hängenlassen. Die offensichtlichste Antwort wäre die Aufforderung zur Demonstration. Ein Interviewpartner meinte einmal zu mir: Die einzige Macht, die wir haben, ist, auf die Straße zu gehen und für unsere Werte einzustehen. Erst die physische Anwesenheit und Sichtbarkeit von Menschenmengen setzen Entscheidungsträgerinnen und -träger unter Druck. Ja, das macht Sinn, dachte ich mir damals.

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