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Brief #47: Mir graut vor der Verherrlichung von Fahnen

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In der Kolumne "Erklär mir deine Welt" kommen Hubert Gaisbauer und Johanna Hirzberger miteinander ins Gespräch. Diese Woche geht es um die illiberale Demokratie.

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In der Kolumne "Erklär mir deine Welt" kommen Hubert Gaisbauer und Johanna Hirzberger miteinander ins Gespräch. Diese Woche geht es um die illiberale Demokratie.

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Liebe Frau Hirzberger!

Mein Brief soll heute mit Kindheits- und Jugenderinnerungen beginnen. Mit Erinnerungen, die viele Jahre einen hohen Stellenwert in „meiner Welt“ hatten. Seit geraumer Zeit ist dies nicht mehr der Fall. Im Gegenteil. Ich bin diesen Erinnerungen gegenüber sehr kritisch geworden. Vor allem in letzter Zeit. Jetzt aber der Reihe nach. In meinem zwölften Lebensjahr bin ich Mitglied der katholischen „Jungschar“ und später der Katholischen Studierenden Jugend geworden. Stolz nannten wir uns KSJ. Aufgenähtes blaues Emblem mit Kreuz und Krone auf weißem Hemd. Bei gewissen Anlässen sind wir in geordneten Reihen und hinter leuchtenden Fahnen über die Linzer Landstraße gezogen. Heute erscheint mir derlei eher als ein sehr fragwürdiger und zeitbedingter Bodensatz vergangener Jahrzehnte. Aber damals spürten wir ehrlichen Bekennermut. Es war dies auch die Zeit, als mich ein Werk des Dichters Rainer Maria Rilke so tief beeindruckt hatte, dass ich es seitenlang auswendig deklamieren konnte. In Bruchstücken geht das sogar heute noch: „Meine gute Mutter, seid stolz: Ich trage die Fahne, seid ohne Sorge: Ich trage die Fahne, habt mich lieb: Ich trage die Fahne …“. Rilke hat „Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“ vor 125 Jahren geschrieben. Viele Tausend junge Soldaten zweier Weltkriege haben sie im Tornister getragen.

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