Erklär mir deine Welt
DISKURSBrief #44: Neujahr oder die Freude, sich zu entwickeln
In der dialogischen FURCHE-Kolumne "Erklär mir deine Welt" kommen die Radiomenschen Hubert Gaisbauer und Johanna Hirzberger miteinander ins Gespräch. Diese Woche geht es um gute Vorhaben im neuen Jahr und soziale Vergleiche.
In der dialogischen FURCHE-Kolumne "Erklär mir deine Welt" kommen die Radiomenschen Hubert Gaisbauer und Johanna Hirzberger miteinander ins Gespräch. Diese Woche geht es um gute Vorhaben im neuen Jahr und soziale Vergleiche.
Lieber Herr Gaisbauer,
es hat mir schon ein bisschen gefehlt, Ihnen zu schreiben. Hoffentlich hat sich Ihr Postfach mittlerweile geleert und bedrängt Sie nicht mehr mit Weihnachtswünschen und Spendenbriefen.
Jedes Jahr kommt mir vor, als versteckten sich die Menschen zwischen den Jahren. Das hilft mir selbst beim Aufatmen und In-mich-Kehren. Ja, ich gestehe: Ich liebe die Zeit vor Neujahr. Schon Wochen und Tage vor Silvester fülle ich seitenweise mein Tagebuch und schreibe mit Farbstiften auf A3-Malblöcken meine Gedanken und Wünsche für das nächste Jahr. In mir kribbelt’s, denn es scheint so, als wäre alles möglich. Auch Neujahrsvorsätze genieße und zelebriere ich. Es ist mir egal, ob sich die Fitness- und die Achtsamkeitsindustrie mit den Vorsätzen ein Goldnäschen verdienen; ebenso, dass ich theoretisch an jedem anderen Tag im Jahr genauso gut eine neue Routine beginnen könnte. Das mag beides wahr sein, aber inwiefern haben solche Argumente auch nur im Ansatz irgendetwas mit mir und meiner Freude zu tun? Manchmal habe ich dann das Gefühl, dass mein Gegenüber mir den Spaß, den ich daran habe, mich weiterzuentwickeln, bewusst verderben will. Vielleicht, weil er oder sie selbst gerade nicht ausreichend Energie hat, um etwas zu verändern – oder weil sich die Person gar selbst unter Druck setzt, auch etwas verändern zu müssen, um sich wertvoll zu fühlen.
Anderen Menschen etwas schlechtzureden, um sich selbst besser zu fühlen – das passiert mir ja auch manchmal, aber ich finde es trotzdem grausig. Darum steht auch das auf meiner Liste, in der Kategorie „aufpassen und abgewöhnen“.
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